25.03.2003

Monti: Wettbewerb in den freien Berufen (Vortrag)

EU
Kommission
Freie Berufe

www.europa.eu.int/comm/competition

Wettbewerbskommissar Professor Monti hat am 21. März 2003 vor der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin einen Vortrag mit dem Titel "Competition in Professional Services: New Light and New Challenges" gehalten und dabei das weitere Vorgehen seiner Generaldirektion auf diesem Sektor angekündigt.

Freie Berufe (Anwälte, Architekten, Wirtschaftsprüfer, Ärzte, Apotheker) sind regulierte Berufe. Je älter der Beruf, desto stärker ist die Regulierung. Dies betrifft den Zugang zum Beruf, die Gebühren, die Organisation der Dienstleistung, die Privilegien und die Werbung. Grund dafür ist die "asymmetrische Information" (der Vertragspartner kann die Qualität des Dienstleisters selbst nicht einschätzen und benötigt daher Schutz).

Das Ausmaß der Regulierung scheint nicht mehr mit den wirtschaftlichen Entwicklungen und dem technischen Fortschritt Schritt zu halten. In verschiedenen Ländern finden bereits Überprüfungen statt. Für die EU bilden die Beschlüsse des Gipfels von Lissabon im März 2000 den Anlass, besonders die Binnenmarktstrategie für die freien Berufe, die dort festgelegt wurde.

Zwei Zahlen verdeutlichen die Wichtigkeit. In Deutschland gibt es 3 Millionen Angehörige freier Berufe, die 8% zum Bruttosozialprodukt beitragen. In der EU erwirtschaften Dienstleister 70% des Bruttosozialprodukts, aber nur 20% des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs entfallen auf Dienstleistungen.

Die Wettbewerbsregeln des EU-Vertrages sind auf die freien Berufe anwendbar. Den Besonderheiten dieser Berufe und den Gemeinwohlbelangen muss allerdings Rechnung getragen werden. Unpassende und unverhältnismäßige Restriktionen (undue and disproportionate restrictions) sollten jedoch abgebaut werden. In diesem Zusammenhang ist auf die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes in den Rechtssachen "Arduino" und "Wouters" zu verweisen. Daraus ergibt sich, dass Regulierungen, die einem freien Beruf "inhärent" sind, den Wettbewerbsregeln entzogen bleiben. Das Problem liegt darin, dass man nicht weiss, wo die Inhärenz aufhört und das Wettbewerbsrecht zu greifen beginnt. Dies lässt sich nur am Einzelfall entscheiden.

Die Studie des Instituts für Höhere Studien in Wien hat zwei wichtige Erkenntnisse gebracht. Zum einen ist das Ausmaß der Regulierung in Europa und in den einzelnen Berufen sehr unterschiedlich (auf einer Skala von 0 - 12 liegt es bei den Anwälten meist bei rund 6, auch in Deutschland). Zum anderen ist das Einkommen der Freiberufler niedriger, je geringer die Regulierung ist.

Die Generaldirektion Wettbewerb wird nun eine Bestandsaufnahme durchführen. Welche Regeln braucht man noch in der modernen Welt? Hemmen sie die Entwicklung des Sektors? Schützen sie die Verbraucher oder die Dienstleister? Bei diesem Prozess spielen auch die Regulierungsbehörden und die Berufsverbände (Kammern) eine wichtige Rolle, denn sie können von sich aus einiges zur Reform beitragen (hier erwähnt Monti ausdrücklich, dass Deutschland eines der wenigen Länder mit Gebührenordnungen ist).

Bis zum Jahresende 2003 soll dieser Evaluierungsprozess abgeschlossen sein. Man wird dann sehen, welche Regeln unverhältnismäßig und nicht objektiv gerechtfertigt sind. Danach ist zu prüfen, welche Abhilfen sich anbieten.