10.04.2003
Monti: European Competition Policy - Quo Vadis? (Vortrag)
EU
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www.europe.eu.int/comm/competition |
Wettbewerbskommissar Mario Monti hat am 10. April 2003 in Brüssel vor der Studienvereinigung Kartellrecht über einige Aspekte der europäischen Wettbewerbspolitik referiert: VO 1/2003, Reform der Fusionskontrolle, internationale Zusammenarbeit.
Kartellverfahren (VO 1/2003)
- Die Kommission wird von der Bearbeitung der Anmeldungen wettbewerbsbeschränkender Verträge entlastet und kann sich künftig auf Beschwerden und eigene Untersuchungen von Kartellverstößen konzentrieren. Dazu gehören auch das Sammeln von Marktinformationen und die Beobachtung von Märkten. Die Neuorientierung ist bereits im Gange.
- Noch wichtiger sind die Veränderungen im Verhältnis zu den nationalen Kartellbehörden. Es gibt keine feste Zuteilung von Fällen an die Kommission oder an die nationalen Behörden, sondern die best geeignete (best placed) Behörde soll die Entscheidung treffen. Dafür sind umfassende Informationspflichten in der VO 1/03 vorgesehen. Als letztes Mittel kann die Kommission einer nationalen Kartellbehörde den Fall entziehen und ihn selbst entscheiden. Innerhalb des Netzwerkes, das nun entsteht, wird man gemeinsam über die Anwendung der europäischen Wettbewerbsregeln beraten. Einige Probleme werden im Netzwerk bereits erörtert: die Verteilung der Fälle, der Austausch vertraulicher Informationen, gemeinsame Untersuchungen mehrerer Kartellbehörden sowie die Einrichtung eines Intranets, dem Kommission und nationale Behörden angeschlossen sind.
- Auch die Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten wird verstärkt werden. Die Gerichte können die Kommission in anhängigen Verfahren um Stellungnahmen bitten. Kommission und nationale Behörde können auch in jedem Verfahren ungefragt „amicus-curiae-Schriftsätze“ einreichen.
- Inzwischen arbeitet die Kommission an einer Durchführungsverordnung zur VO 1/03, die vor allem die Modalitäten der Anhörung von Parteien, Beschwerdeführern und Dritten in Bußgeldverfahren regeln soll. Darüber hinaus ist eine Reihe von Mitteilungen geplant, die als Leitlinien dienen sollen, so zum Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, zur Zusammenarbeit im Netzwerk der Behörden und mit den Gerichten, zur Behandlung von Beschwerden und zu den Meinungsäußerungen, mit denen die Kommission zu neuen oder ungelösten Fragen Stellung nehmen wird.
Reform der Fusionskontrolle
- Die Fusionskontrolle ist zunehmend schwieriger geworden. Die Fälle werden komplexer, die Beurteilung von Zusammenschlüssen wegen des auf vielen Märkten erreichten hohen Konzentrationsgrades ist nicht immer einfach. Das Gericht erster Instanz hat darüber hinaus in den bekannten Entscheidungen der Kommission einen hohen Beweisstandard vorgeschrieben.
- Die Reform besteht aus vier Elementen: der neuen Fusionskontrollverordnung (die auch unter der kommenden italienischen Präsidentschaft hohe Priorität genießen soll), einer Mitteilung über „best practices“ (liegt schon im Entwurf vor), Veränderungen in der internen Organisation der Generaldirektion Wettbewerb sowie einer Mitteilung über die Beurteilung horizontaler Zusammenschlüsse (Entwurf ist ebenfalls bereits veröffentlicht).
- Am Marktbeherrschungstest will die Kommission nichts verändern, weil er - so Monti - in der Lage sei, allen wettbewerblichen Szenarien gerecht zu werden. Außerdem besteht weitgehende Konvergenz der Ergebnisse bei der Anwendung des SLC-Tests. Dennoch will man der Kritik einiger Kommentatoren Rechnung tragen, die eine Lücke im Marktbeherrschungstest vermuten. Mit der allergrößten Vorsicht („out of the greatest caution“) wird deshalb Artikel 2 FKVO um einen Absatz ergänzt, dessen Ziel allein die Klarstellung ist, dass auch unilaterale Effekte in nicht-kollusiven Oligopolsituationen erfasst sein sollen. Nach Monti ist der vorgeschlagene Wortlaut mit der Rechtsprechung des EuGH vereinbar, stellt aber deutlicher auf die wirtschaftlichen Folgen von Fusionen ab („more closely focused on the economic impact of concentrations“).
- Die Mitteilung über horizontale Zusammenschlüsse steht vor der Verabschiedung. Stellungnahmen können noch bis Mitte April, also binnen kürzester Frist, eingereicht werden. Sie erörtert die Einzelmarktbeherrschung, nicht-kollusive und kollusive Oligopole, ferner Faktoren, die eine anfängliche Vermutung einer Marktbeherrschung relativieren können: Nachfragemacht, Marktzutritt und die „failing firm defence“, ferner Effizienzen.
Internationales
- Von der nächsten Konferenz des International Competition Network im Sommer in Merida/Mexiko wird eine Fortsetzung der internationalen Empfehlungen für die Fusionskontrolle erwartet. Damit wird der begonnene Konvergenzprozess auf einem wichtigen Gebiet fortgesetzt.
- In diesem Sinne reagiert das ICN auf eine echte Nachfrage. Aber wichtig ist auch die Integration von Entwicklungsländern in ein internationales System. Schließlich hängt der Erfolg auch maßgeblich von der Mitwirkung der interessierten Kreise ab (Wissenschaft, Wirtschaft, Anwaltschaft).