18.06.2003
Monti: A time for change? Maritime competition policy at the crossroads (Vortrag)
EU
|
www.europe.eu.int/comm/competition |
Die Generaldirektion Wettbewerb prüft, ob und in welcher Weise die Gruppenfreistellungsverordnung 4056/86 über den Seetransport (Amtblatt L 378 vom 31.12.1986) geändert werden soll. Dazu hatte sie vor einigen Monaten ein Konsultationspapier veröffentlicht, zu dem bis Juni 2003 Stellung genommen werden konnte. Kommissar Mario Monti hat in einem Vortrag vor dem European Shippers’ Council am 12. Juni 2003 in Antwerpen begründet, warum über eine Neuregelung nachgedacht wird:
- Die GFVO 4056/86 stellt eine sehr großzügige Regelung dar. Sie erlaubt für Linienkonferenzen Preisabsprachen und Absprachen über Beschränkungen der Dienstleistungen. Dies hat in anderen Wirtschaftszweigen keine Parallele.
- Historisch war die GFVO eine Ergänzung des UNCTAD-Verhaltenskodex für Linienkonferenzen. Die Wettbewerbsbeschränkungen wurden damals zugelassen, weil man befürchtete, dass eine ungehinderte Konkurrenz die Verdienstspannen auf ein Niveau drücken würde, bei dem der Anreiz für regelmäßigen Linienverkehr entfiele. Dies hat es offenbar vor 130 Jahren schon einmal gegeben (Wettbewerb zwischen Segelschiffen und Dampfschiffen). Heute sieht die Sache für die Kommission etwas anders aus.
- Über die Auslegung der GFVO ist immer wieder gestritten worden. Was zu einer Reihe von Verbotsentscheidungen geführt hat (TAA, FEFC, TACA). 1998 haben sich Unternehmen und Kommission auf ein revidiertes „Trans-Atlantic Conference Agreement“ (Revised TACA) geeinigt.
- Angesichts dieser Einigung wird gefragt, warum die Kommission dennoch eine allgemeine Überprüfung eingeleitet habe. TACA kann nur den Rahmen ausfüllen, der von der GFVO vorgegeben wird. Aus der Sicht der Kommission muss nun überlegt werden, ob dieser Rahmen nicht zu weit gezogen ist und zu viele Beschränkungen des Wettbewerbs erlaubt: „Unlike wine, there is little evidence that block exemption regulations improve with age“.
- Nach der Konsultation wird ein Weißbuch oder Grünbuch der Kommission erscheinen, bevor möglicherweise eine neue Verordnung ausgearbeitet wird. Die Kommission ist im Ergebnis noch nicht festgelegt, aber wer die alte GFVO beibehalten möchte, trägt die Beweislast. Wer sich auf den Nutzen der alten Regelungen beruft, wird den Kausalzusammenhang zwischen günstigen Ergebnissen – etwa stabilen Frachtraten – und der Freistellung belegen müssen (war dies das Produkt der GFVO oder nicht eher das Resultat eines funktionierenden Wettbewerbs?). Preisabsprachen und andere schwerwiegende Einschränkungen des Wettbewerbs wird die Kommission dabei besonders kritisch betrachten.
- Die Kommission sieht zwar, dass es sich beim Seetransport um ein weltweit operierendes Geschäft handelt, kann aber gleichwohl nicht auf eigene Regelungen verzichten und befürchtet auch keinen Rechtskonflikt, da die GFVO eine besonders großzügige Regelung darstellt, die anderswo keine Entsprechung findet.
- Die Kommission zieht als Option ausdrücklich auch eine ersatzlose Aufhebung der GFVO in Erwägung. Sie hält es für unwahrscheinlich, dass es dann zu verstärkter Konzentration auf den betroffenen Märkten kommen würde. Zum einen ist der Konzentrationsgrad im Seetransport heute noch sehr gering, zum anderen stehen gegen Marktbeherrschung und Marktmissbrauch die üblichen Instrumente der Fusionskontrolle und die Anwendung von Art. 82 EUV zur Verfügung.