28.02.2003

Eckpunkte einer 7. GWB-Novelle

Deutschland
GWB
Novellierung

www.bmwa.bund.de

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat den „Entwurf von Eckwerten einer 7. GWB-Novelle“ (Stand 24. Februar 2003) veröffentlicht (bisher noch nicht auf der Website abrufbar).

Die 7. GWB-Novelle wird notwendig, um die Regelungen der neuen VO 1/2003 über das Kartellverfahrensrecht („Neue VO 17“) bis zum Mai 2004 in das deutsche Recht umzusetzen. Auf Verträge mit spürbaren grenzüberschreitenden Wirkungen muss bekanntlich das Bundeskartellamt künftig europäisches Recht anwenden. Das Ministerium ist der Auffassung, dass Verträge ohne einen solchen Auslandsbezug nach denselben Standards beurteilt werden sollten und strebt deshalb einen Gleichlauf an.

Aus diesen Gründen konzentrieren sich die Vorschläge auf die Vorschriften über wettbewerbsbeschränkende Verträge und den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Zur Fusionskontrolle werden nur wenige Änderungen erwogen, obwohl derzeit in Brüssel über eine Reform der Fusionskontrollverordnung verhandelt wird. Der Diskussionsstand lässt es aber gegenwärtig nicht zu, Anpassungen des deutschen Rechts an die zu erwartenden europäischen Regelungen in das Konzept für eine GWB-Novelle aufzunehmen (so ist die neue Definition der Marktbeherrschung in der FKVO, wie sie von der Kommission vorgeschlagen wird, höchst umstritten). Es spricht aber nichts dagegen, in späteren Stadien des Gesetzgebungsverfahrens auch Änderungen der deutschen Fusionskontrolle mit Blick auf europäisches Recht vorzusehen.

Die wichtigsten Vorschläge des BMWA in Stichworten:

Es folgt das Papier des BMWA im Originalwortlaut.





Stand:24.2.2003

Entwurf von Eckwerten einer 7. GWB-Novelle


Anlass und Zielrichtung der Novellierung

Am 1. Mai 2004 wird die EG-Durchführungsverordnung zur Anwendung der Art. 81 und 82 EG (VO 1/2003) in Kraft treten, die einen Systemwechsel in der Anwendung des europäischen Weltbewerbsrechts bedeutet. Die bislang bestehende grundsätzliche Anmelde- und Genehmigungspflicht für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen wird überführt in ein System der Legalausnahme. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen gelten danach automatisch als freigestellt, wenn sie die Freistellungsvoraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllen. Gleichzeitig wird der Vorrang des europäischen Rechts erheblich ausgeweitet.

Die Neuregelung auf EU-Ebene hat Auswirkungen auf das deutsche Recht der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und Verhaltensweisen. In der Mehrzahl haben Unternehmensabsprachen Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel und sind daher nach den Art. 81 und 82 EG zu beurteilen. Eigenständige Bedeutung wird dem deutschen Wettbewerbsrecht für Vereinbarungen und einseitige Verhaltensweisen künftig nur noch in Fällen zukommen, die rein lokale oder regionale Auswirkungen haben und keine zwischenstaatliche Relevanz aufweisen. Die Fusionskontrolle im GWB bleibt hiervon unberührt.

Es empfiehlt sich, die Regelungen im GWB für Unternehmenskooperationen an die neue Konzeption des europäischen Wettbewerbsrechts anzupassen. Wie im europäischen Recht soll damit die Rechtsanwendung entbürokratisiert und vereinfacht werden, Für die Unternehmen ergibt sich daraus ein größerer Freiraum, aber auch eine höhere Eigenverantwortung.

In die Neuregelung sollen auch die Vereinbarungen einbezogen werden, die keine zwischenstaatlichen Auswirkungen haben und deshalb allein dem deutschen Recht unterliegen. Um eine Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen zu vermeiden, sind lokale und regionale Sachverhalte nicht anders zu behandeln als solche mit grenzüberschreitenden Auswirkungen. Nur in Ausnahmefällen wird es gerechtfertigt sein, spezifische Regelungen des deutschen Wettbewerbsrechts aufrecht zu erhalten. Dies gilt vor allem für bestimmte Vorschriften im Bereich der vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen.

Daraus ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:


1. Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen

II Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen

Nach europäischem Recht (Art. 81 EG) unterliegen vertikale Vereinbarungen, die den Wettbewerb beschränken (Vertriebsbindungen), ebenso wie horizontale Vereinbarungen einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Im gehenden GWB sind dagegen sog. Inhaltsbindungen (für Preise und Konditionen) per se verboten; andere Vertriebsbindungen sind grundsätzlich erlaubt, unterliegen aber einer Missbrauchsaufsicht. Die bisherige deutsche Systematik ist wettbewerbspolitisch sachgerecht und führt auch zu praktisch befriedigenden Ergebnissen. Dennoch soll angesichts des Vorrangs des europäischen Wettbewerbsrechts künftig im Grundsatz das europäische Modell für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen übernommen werden,

III. Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen

Der unbedingte Vorrang des europäischen Wettbewerbsrechts gilt nicht für die Missbrauchsaufsicht bei einseitigem wettbewerbsbeschränkenden Verhalten. Diese Fälle können daher im deutschen Recht anders geregelt werden als in Art. 82 EG. Davon soll im GWB auch weiterhin Gebrauch gemacht werden.

IV. Sonstige Folgeänderungen für den Bereich der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen

Kommission und nationale Wettbewerbsbehörden werden künftig bei der Kontrolle und Ahndung von Wettbewerbsverstößen in einem „Netzwerk“ eng zusammenarbeiten. Daher empfiehlt es sich, die Verfahrensregelungen im GWB und die Ermittlungsbefugnisse des Bundeskartellamtes an die neue Regelung in der VO 1/2003 anzupassen. Das umfasst vor allem:

1. Unmittelbare Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen EG-Kartellrecht

Verstöße gegen die Art. 81 und 82 EG sind - anders als z.B. Verstöße gegen die Kartell- und Missbrauchsverbote nach dem GWB — nicht unmittelbar bußgeldbewehrt. Eine solche Bußgeldbewehrung muss aufgrund der VO 1/2003 für das Bundeskartellamt neu geschaffen werden.

2. Einführung von Entscheidungen der Wettbewerbsbehörden, dass kein Anlass zum Einschreiten gegen Unternehmen besteht

Insbesondere die mittelständische Wirtschaft hat ein erhebliches Bedürfnis nach Rechtssicherheit hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von Kooperationen. Zwar kann es in einem System der Legalausnahme keine konstitutiven Freistellungsentscheidungen mehr geben. Das Bundeskartellamt soll aber die Befugnis erhalten, entsprechend Art. 5 Satz 2 der VO 1/2003 Entscheidungen zu treffen, dass kein Anlass zum Tätigwerden besteht. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit informeller Auskünfte, die auch künftig eine wichtige Rolle spielen werden.

3. Erweiterung der Entscheidungsmöglichkeiten der Wettbewerbsbehörden

Nach geltendem GWB können die deutschen Kartellbehörden ein gesetzeswidriges Verhalten von Unternehmen nur untersagen. Demgegenüber verfügt die Europäische Kommission über einen differenzierteren Katalog von Handlungsmöglichkeiten. Dieser schließt insbesondere die Möglichkeit, den Unternehmen die Abstellung der Zuwiderhandlung aufzugeben (positive Tenorierung) oder die nachträgliche Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes ein (At. 7 VO 1/2003). Auch hier empfiehlt sich eine Anpassung an das europäische Recht.

4. Einführung von Verpflichtungszusagen

Nach europäischem Recht (Art. 9 VO 1/2003) kann die Europäische Kommission Verpflichtungszusagen der Unternehmen zur Beseitigung eines kartellrechtswidrigen Zustandes für bindend erklären und etwaige Verstöße hiergegen mit Buß- oder Zwangsgeldern ahnden, Auch dieses Instrument soll in das deutsche Recht übernommen werden.

5. Schaffung einer Enquete-Befugnis für das Bundeskartellamt

Im Gegensatz zur Europäischen Kommission hat das Bundeskartellamt nicht die Möglichkeit, bestimmte Wirtschaftszweige oder bestimmte Typen wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen einer generellen Überprüfung zu unterziehen (Art. 17 VO 112003). Eine entsprechende Regelung soll künftig in das GWB aufgenommen werden.

6. Überprüfung der Ausnahmebereiche im geltenden GWB im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem europäischen Wettbewerbsrecht

Alle Ausnahmebereiche im deutschen Kartellrecht erfassen Sachverhalte, die auch zwischenstaatlich relevant sind. Für diesen Bereich laufen spezielle Ausnahmeregelungen im geltenden GWB, die nicht mit dem europäischen Wettbewerbsrecht übereinstimmen, leer. Die bestehenden Ausnahmebereiche im GWB sind daher kritisch zu überprüfen. Anders ist dies bei der Ausnahmeregelung für die Landwirtschaft in § 28 GWB, die im Grundsatz dem europäischen Recht (VO 26/62) entspricht.

V. Überprüfung der Verfahrensvorschriften im Bereich der Fusionskontrolle

Für eine Anpassung der materiellen Regelungen der Fusionskontrolle besteht derzeit keine Notwendigkeit. Ob und inwieweit nach Abschluss der laufenden Revision der europäischen Fusionskontrollverordnung eine Weiterentwicklung des deutschen Rechts angezeigt ist, kann erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden.

Änderungsbedarf besteht jedoch hinsichtlich der Verfahrensregelungen für die Fusionskontrolle des Bundeskartellamts und bei der Ministererlaubnis. Die mit der 6. GWB-Novelle eingeführte Möglichkeit von Drittklagen gegen förmliche Freigabeentscheidungen des Bundeskartellamts hat sich in der Praxis teilweise als Vollzugshindernis für Fusionen erwiesen. Dies kann auch zu einem Investitionshemmnis mit erheblichen nachteiligen Folgen für den Standort Deutschland führen. Insbesondere die weitgehende Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz im Fall gerichtlicher Anfechtung ist im Licht der Erfahrungen zu überprüfen.

1. Ministererlaubnis

Die Ministererlaubnis hat sich als Instrument. für den Ausgleich von wettbewerblichen und außerwettbewerblichen Interessen bei der Kontrolle von Zusammenschlüssen im Grundsatz bewährt. Der Charakter der Ministererlaubnis als politisch verantwortete Ausnahmegenehmigung muss gewahrt bleiben.

Praktische Probleme haben sich jedoch bei den Verfahrensabläufen gezeigt. Die geltenden Vorschriften stammen im Wesentlichen aus dem Jahr 1973 und wurden seitdem nicht substanziell geändert. Das Verfahren vor dem Ministerium und - bei einer Anfechtung der Ministererlaubnis - vor Gericht soll effektiver und praxisorientierter ausgestaltet werden. Der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz gegen Entscheidungen über eine Ministererlaubnis bleibt dabei unangetastet. Verfahrensregelungen dürfen aber nicht zulassen, dass notwenige Investitionen, die im überwiegenden Gemeinwohlinteresse liegen, von Dritten unangemessen lange hinausgezögert weiden können.

2. Fusionskontrollverfahren vor dem Bundeskartellamt

Mit der 6. GWB-Novelle wurde das Fusionskontrollverfahren wesentlich geändert. Wenn das Bundeskartellamt das Hauptprüfverfahren eingeleitet hat, entscheidet es auch im Fall einer Freigabe durch förmliche Verfügung. Die damit eröffnete Möglichkeit von Beschwerden gegen Freigabeverfügungen war vom Gesetzgeber zwar gesehen worden; mögliche Auswüchse durch missbräuchliche Drittklagen sollten jedoch dadurch verhindert werden, dass Beschwerden gegen Freigabeverfügungen nach dem Gesetz keine aufschiebende Wirkung haben und Fusionen daher nach der Freigabe sofort vollzogen werden können.

In der Praxis hat sich diese Erwartung des Gesetzgebers nicht bestätigt. Es besteht die Gefahr, dass sich langwierige Blockaden von freigegebenen Fusionen als Investitionshemmnis erweisen können. Im Rahmen der Novelle wird daher zu prüfen sein, wie der vom Gesetzgeber gewollte Grundsatz der sofortigen Vollziehbarkeit von Fusionen, die das Bundeskartellamt freigegeben hat, auch bei Drittklagen in der Praxis wieder sichergestellt werden kann. Ziel muss es sein, übermäßige Verzögerungen von freigegebenen Fusionen durch geeignete Verfahrensregeln auf das erforderliche Maß zu beschränken. Auch insoweit darf jedoch der Rechtsschutz gegen Verfügungen des Bundeskartellamtes gemäß den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht eingeschränkt werden.