04.12.2002
William J. Kolasky: What is Competition? (Vortrag)
Mr. William J. Kolasky, Deputy Assistent Attorney General in der Kartellabteilung des amerikanischen Justizministeriums (das er demnächst verlässt), hat am 28. Oktober 2002 in Den Haag einen interessanten und grundlegenden Vortrag gehalten, der sich mit den Grundlagen der amerikanischen Wettbewerbspolitik befasst und Vergleiche zur Europäischen Union zieht. Die Frage, die sich der Redner stellte, lautete: Was ist Wettbewerb?
- In den USA sagt man, die Wettbewerbsgesetze schützen den Wettbewerb, nicht die Wettbewerber. In Europa hält man dem entgegen: ohne Wettbewerber gibt es keinen Wettbewerb.
- Im Sport bedeutet Wettbewerb Rivalität, in der Wirtschaft das Bestehen am Markt (market performance). Eine gängige Formel der amerikanischen Rechtsprechung lautet: competition is the process by which market forces operate freely to assure that society’s scarce resources are employed as efficiently as possible to maximize total economic welfare .
- „Society has an interest in competition even though that competition be an elimination bout” (Judge Aldrich). Die Kartellgesetze sorgen dafür, dass dieser Kampf stattfindet und die Effizienz über das Ergebnis entscheidet.
- Bei Kartellen wird dies durch konsequente Verfolgung sichtbar. Hier liegen die USA und Europa auf derselben Linie, besonders hinsichtlich der Bonusregelungen. Für die Unternehmen zahlt es sich aus, compliance programmes zu betreiben.
- Auch bei den Zusammenschlüssen gibt es eine große Übereinstimmung zwischen Amerika und Europa. Drei Bemerkungen sind zu machen: Effizienzen sollten im Mittelpunkt der Analyse wirtschaftlicher Auswirkungen einer Fusion stehen. Mehr Ökonomen müssen an der Prüfung von Fusionen beteiligt werden (DoJ beschäftigt dafür 50 in einer besonderen organisatorischen Einheit). Die Berechenbarkeit sollte durch Richtlinien vergrößert werden.
- Unterschiede zwischen den USA und der EU gibt es hingegen bei der Marktbeherrschung (dominance, in den USA monopolization ). Einer der Hauptunterschiede besteht darin, dass auch marktbeherrschenden Unternehmen in den USA erlaubt wird, sich aggressiv am Wettbewerb zu beteiligen. „The successful competitor, having been urged to compete, must not be turned upon when he wins“ (Judge Learned Hand). Es ist nicht klar, ob die EU diese Einstellung mit derselben Deutlichkeit teilt.
- Zur Feststellung der Marktbeherrschung blickt man auch in den USA zunächst auf die Marktanteile, darüber hinaus aber auf die Macht des neuen Unternehmens, die Preise zu erhöhen (wie dauerhaft sind die Marktanteile?).
- Hinzukommen muss allerdings, dass die Marktbeherrschung durch Diskriminierung (exclusion) oder Behinderung (predation) erreicht oder verteidigt wird. Wie trennt man dies von echtem Wettbewerb (competition on the merits)? Metapher aus dem Boxsport: Behinderung ist der Tiefschlag, Diskriminierung der Würgegriff. Es handelt sich um „conduct that is likely to exclude equally or more efficient rivals from the market ”.
- Für die Diskriminierung (exclusion) muss zunächst der Schaden für den Wettbewerbsprozess ermittelt werden (verhindert das Verhalten, dass die Marktkräfte wirken können?). Danach geht es um die Rechtfertigung durch Effizienzen, schließlich um die Abwägung.
- Bei der Behinderung (predation) besteht eine Gefahr: „ You are hunting for a predator and mistakenly shoot a competitor “. Zunächst ist herauszufinden, ob ein Preis „below an appropriate measure of cost ” liegt. Nach dem Areeda-Turner-Test ist dies der Fall, wenn die Grenzkosten oder, falls sie nicht zu ermitteln sind, wenn die durchschnittlichen variablen Kosten unterschritten werden. Die Vermutung, die sich daraus ergibt, kann das Unternehmen widerlegen. Außerdem ist aber nötig, dass der Verlust durch den niedrigen Preis wieder aufgeholt werden kann, wenn der bekämpfte Wettbewerber aus dem Markt ausgeschieden ist (recoupment ), denn nur dann, nicht schon durch die niedrigen Preise selbst, ergibt sich ein Schaden für die Verbraucher.
Die größten Unterschiede zwischen den USA und Europa gibt es wohl bei der Beurteilung von Preissenkungen durch marktbeherrschende Unternehmen. Das EU-Recht ist hier viel misstrauischer (Analyse von AKZO und Tetra-Pak). Ähnliches gilt für selektive Preissenkungen als Reaktionen auf Markteintritte und für Treuerabatte. In den USA sind hier demnächst zwei Entscheidungen zu Niedrigpreisstrategien marktbeherrschender Unternehmen zu erwarten: Fall American Airlines und LePage (Klebeband).