29.07.2002

Neue Gruppenfreistellungsverordnung im Kraftfahrzeugsektor

Die Europäische Kommission hat die am 30. September 2002 auslaufende Gruppenfreistellungsverordnung für den Automobilsektor reformiert und am 17. Juli 2002 eine neue Freistellungsverordnung (GVO) verabschiedet.

Die im Vorfeld heftig umstrittene Verordnung soll nach Ansicht der Kommission neuen Vertriebsformen wie dem Internetverkauf den Weg ebenen, zu mehr Wettbewerb zwischen Händlern führen, den grenzüberschreitenden Kauf neuer Kraftfahrzeuge erheblich vereinfachen und zu einem größeren Preiswettbewerb führen. Die neue Kfz-GVO enthält folgende wesentliche Neuregelungen:

  1. Wegfall der Kombination von selektivem und exklusivem Vertrieb
    Kraftfahrzeughersteller müssen nun zwischen einem exklusiven und selektiven Vertrieb wählen. Bei einem Exklusivvertrieb kann der Hersteller einem zugelassenen Händler ein bestimmtes Verkaufsgebiet zuweisen, muss aber den Verkauf an nicht zum Händlernetz gehörende Wiederverkäufer zulassen. Alternativ kann er im selektiven Vertrieb Händler nach bestimmten Kriterien auswählen, denen aber ein Verkaufsgebiet nicht exklusiv zugewiesen werden darf und die - jedenfalls nicht aktiv - nicht an Wiederverkäufer verkaufen dürfen.

  2. Verbot von Standortklauseln (location clause)
    Händler in Selektivsystemen dürfen künftig beliebig viele Zweigniederlassungen oder Lieferstellen überall in der EU errichten.

  3. Einführung des Mehr-Markenvertriebs
    In den Geschäftsräumen eines Vertriebshändlers dürfen nun Fahrzeuge verschiedener Hersteller (mehrere Marken) vertrieben werden. Die Händler sollen nach der neuen Verordnung selbst entscheiden können, ob sie mehr als nur eine Marke verkaufen wollen. Die Hersteller können lediglich die getrennte Ausstellung ihrer Fahrzeuge in einem der eigenen Marke vorbehaltenen Teil des Ausstellungsbereiches vorschreiben.

  4. Wahlrecht des Händlers bei Reparaturen
    Vertragshändler sind nicht mehr verpflichtet, eine eigene Werkstatt für Instandsetzungsarbeiten zu betreiben. Reparaturen können jetzt durch Werkstätten des Vertriebsnetzes oder durch unabhängige Werkstätten ausgeführt werden, wenn sie die Qualitätsstandards des betreffenden Herstellers erfüllen.

  5. Stärkung unabhängiger Werkstätten
    Unabhängige Werkstätten erhalten Zugang zu Ersatzteilen und technischen Informationen der Hersteller. Sie sollen wirkungsvoll mit Vertragswerkstätten konkurrieren können und erhalten deshalb Zugang zu sämtlichen technischen Informationen, Diagnose- und anderen Geräten und Werkzeugen sowie fachliche Unterweisung zur Wartung und Instandsetzung. Bezogen werden können sowohl originale Ersatzteile als auch qualitativ gleichwertige Ersatzteile. Werkstätten können Ersatzteile nun auch direkt vom Ersatzteilhersteller erhalten.

  6. Mindestlaufzeit für befristete Verträge.
    Befristete Verträge zwischen Hersteller und Händlern haben eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren. Eine Kündigung muss schriftlich begründet werden.

  7. Inkrafttreten
    Für die Anpassung bestehender Händlerverträge ist eine einjährige Übergangszeit vorgesehen. Für das Auslaufen von Standortklauseln hat die EU-Kommission die vom europäischen Parlament vorgeschlagene längere Übergangsfrist bis zum 30. September 2005 aufgegriffen.

  8. Befristung
    Die neue Gruppenfreistellungsverordnung läuft am 31. Mai 2010 aus.