11.11.2002
Monti: Merger Control in the EU - a Radical Reform
Wettbewerbskommissar Professor Monti hat in einem Vortrag am 7. November 2002 vor der International Bar Association erstmals ausführlich die Reformvorschläge erläutert, die (voraussichtlich im Dezember) den Inhalt des Verordnungsvorschlages zur Änderung der Fusionskontrollverordnung bilden werden:
- Die Marktbeherrschung bleibt das entscheidende Kriterium für die Beurteilung eines Zusammenschlusses. Art. 2 FKVO erhält jedoch einen zusätzlichen Absatz, der sicherstellt, dass damit auch „unilateral effects“ in einer Oligopolsituation erfasst werden.
- Es wird eine Mitteilung über die Marktbeherrschung bei horizontalen Zusammenschlüssen geben, mit der die Praxis der Kommission transparenter gemacht werden soll. Später werden Mitteilungen zur Markbeherrschung bei vertikalen und konglomeraten Zusammenschlüssen folgen.
- Effizienzen, die durch einen Zusammenschluss herbeigeführt werden, können nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 b schon heute berücksichtigt werden. Darüber soll es aber gesonderte Leitlinien geben.
- Zur Verbesserung der Qualität der Entscheidungen wird die Position eines Chefökonomen eingerichtet, der unabhängig ist, auf Zeit angestellt wird, eigenes Personal haben soll und ein eigenes Urteil zu Entscheidungsvorschlägen abgeben kann.
- Zu demselben Zweck wird für jeden Fall, der in Phase II gelangt, ein Prüfungsausschuss (Review Panel) gebildet. Er besteht aus Beamten der Generaldirektion, die aber nicht der Merger Task Force angehören.
- Akteneinsicht soll schon viel früher als heute gewährt werden, außerplanmäßig vor allem dann, wenn Dritte wichtige Einwendungen gegen eine Fusion erheben. Gleichfalls sollen zu gegebenen Anlässen Sachstandstreffen (state-of-play meetings) mit den Kommissionsbeamten stattfinden können.
- Die Stellung des Anhörungsbeauftragten soll gestärkt werden, offenbar hauptsächlich durch Verbesserung seiner Arbeitsbedingungen.
- Für die Verbindung zu Verbraucherorganisationen soll eine Kontaktperson bestellt werden.
- Das Verfahren soll verlängert werden können: auf Antrag der Parteien um drei Wochen in Phase II, wenn Zusagen angeboten worden sind, um vier Wochen in sonstigen schwierigen Fällen auf Antrag der Parteien oder auf Wunsch der Kommission (aber stets mit Zustimmung der Parteien).
- Die Anmeldung eines Zusammenschlusses soll schon vor dem Vertragsschluss möglich sein. Für die Anmeldung nach Vertragsschluss soll die Wochenfrist entfallen.
- Die Untersuchungsbefugnisse sollen ausgedehnt und denen der neuen Verordnung über das Kartellverfahren (VO 17) angeglichen werden, allerdings ohne die Befugnis zur Durchsuchung von Privatwohnungen.
- Die jüngsten Entscheidungen des EuG haben gezeigt, dass die richterliche Kontrolle im Grunde funktioniert. Sie müsste aber noch beschleunigt werden. Dafür sollten zusätzliche Mittel bereit gestellt werden. Die Einrichtung einer speziellen Wettbewerbskammer wäre zu überlegen, gleichfalls Verbesserungen beim einstweiligen Rechtsschutz in Fusionsfällen.
- Die Zuständigkeit der Kommission für Mehrfachanmeldungen wird nicht ausgedehnt, aber die Verweisung von Fällen wird erleichtert (in beiden Richtungen). Es wird ein Verfahren vorgesehen, bei dem die Parteien schon vor der eigentlichen Anmeldung die Kommission und die betroffenen Mitgliedstaaten mit einem Fall befassen können – dies mit dem Ziel, die richtige Entscheidungsebene schon frühzeitig feststellen zu lassen.