06.08.2020

Monopolkommission veröffentlicht 23. Hauptgutachten: Wettbewerb 2020

Am 29. Juli 2020 hat die Monopolkommission ihr 23. Hauptgutachten für das Jahr 2020 „Wettbewerb 2020" veröffentlicht. Die Hauptgutachten erscheinen alle zwei Jahre, geben den Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration des vergangenen Berichtszeitraums wieder und gehen auf aktuelle wettbewerbspolitische Entwicklungen und die kartellrechtliche Entscheidungspraxis ein. Das Hauptgutachten „Wettbewerb 2020" thematisiert u. a. die Anwendung und Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in der COVID-19-Situation, die Notwendigkeit einer Anpassung des Wettbewerbsrechts in Bezug auf Online-Plattformen, notwendige Anpassungen in der Fusionskontrolle im deutschen Krankenhaussektor sowie die Einführung eines Drittlandsbeihilfeinstruments, um Wettbewerbsverzerrungen infolge von Drittstaatssubventionen (u.a. seitens Chinas) in der EU abzubauen.

Das Hauptgutachten hat folgende Schwerpunkte:

1. Wettbewerb in der Corona Krise (Kapitel 1)

Die Monopolkommission spricht sich auch in der COVID-19-Krisensituation für eine weitere stringente Anwendung des Wettbewerbsrechts aus. Krisenspezifische Kooperationen seien auf das zur Sicherstellung der Versorgung notwendige Mindestmaß zu beschränken.

Die Fristenverlängerung in der Fusionskontrolle durch das GWB-Eilgesetz vom 25. Mai 2020 sollte nach Ansicht der Monopolkommission bis Ende 2020 ausgedehnt werden, da von einem Wiederanstieg der Anmeldezahlen bei gleichzeitiger Weitergeltung der Corona-Schutzmaßnahmen auszugehen sei. Im Beihilfenrecht befürwortet die Monopolkommission die Bedingungen und Auflagen im Fall staatlicher Rekapitalisierungsbeihilfen. In diesem Zusammenhang empfiehlt die Monopolkommission die Einrichtung eines Gremiums mit unabhängigen Experten zur Unterstützung der Bundesregierung bei der Entwicklung von Ausstiegsstrategien.

2. Missbrauchsaufsicht in der Plattformwirtschaft (Kapitel 1)

Vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise geht die Monopolkommission von einem weiteren Anwachsen der Marktmacht großer Digitalunternehmen aus und fordert die Bundesregierung auf, sich im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft für die Einführung einer EU-Plattformverordnung für marktbeherrschende Online-Plattformen einzusetzen. Grundsätzlich wird die Missbrauchskontrolle des Art. 102 AEUV jedoch für ausreichend erachtet, um die Marktmacht bei digitalen Plattformen zu bestimmen und dem Missbrauch durch (digitale) „Ökosysteme" zu begegnen. Kritik übt die Monopolkommission am Vorschlag des § 19a GWB-E des Referentenentwurfs für eine 10. GWB-Novelle, der von Art. 102 AEUV in mehrfacher Hinsicht abweiche. Vor einer etwaigen Anpassung des EU-Wettbewerbsrechts empfiehlt sie aber, in jedem Fall die praktischen Auswirkungen von § 19a GWB-E abzuwarten. Auch hinsichtlich einer Anpassung des EU-Wettbewerbsrechts bezüglich eines „Tipping", rät die Monopolkommission, zunächst Praxiserfahrungen mit dem im Referentenentwurf der 10. GWB-Novelle vorgeschlagenen § 20 Abs. 3a GWB-E abzuwarten.

Adressiert werden sollten per Verordnung Regeln gegen Selbstbevorzugung und verschärfte Interoperabilitäts- und Portabilitätsverpflichtungen. Darüber hinaus könnten auch Abhilferegelungen in Bezug auf missbräuchliche Verhaltensweisen mit dauerhaften Auswirkungen auf die Marktstruktur aufgenommen werden. Solche Regelungen könnten den Datenzugang oder die Veräußerung von Geschäftsanteilen betreffen.

3. Effiziente Struktur des deutschen Krankenhaussektors - ist eine Bereichsausnahme im GWB erforderlich? (Kapitel 1)

Zwar steht die Monopolkommission einer Bereichsausnahme - wie bereits in der Vergangenheit - bei Krankenhausfusionen ablehnend gegenüber. Es sollten jedoch bei der Fusionskontrolle in diesem Sektor die auf die Versorgungsqualität wirkenden Effekte von Zusammenschlüssen stärker berücksichtigt werden. Bei der Marktabgrenzung sollte berücksichtigt werden, ob eine Veränderung des Angebotsverhältnisses im Markt durch den Zusammenschluss auch zu einer Änderung des Nachfrageverhaltens führen könnte. Es sollten darüber hinaus Qualitätsvorteile durch den Zusammenschluss stärker in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.

4. Stand und Entwicklung der Unternehmenskonzentration (Kapitel 2)

Die Monopolkommission sieht für die Unternehmenskonzentration in Deutschland derzeit keinen besorgniserregenden Trend und damit keinen unmittelbaren wettbewerbspolitischen Handlungsbedarf.

5. Würdigung der kartellrechtlichen Entscheidungspraxis (Kapitel 3)

Wie in jedem Hauptgutachten nimmt die Monopolkommission eine Auswertung der deutschen und europäischen kartellrechtlichen Entscheidungspraxis vor und entwickelt auf dieser Grundlage Handlungsempfehlungen an den Gesetzgeber und die Kartellbehörden. Bezug genommen wird auf Fälle aus verschiedenen Bereichen (z. B. Werbeblocker, Werbemöglichkeiten bei Olympischen Spielen, Ausbau von Glasfasernetzen, zentrale Vermarktung der Fußball-Bundesliga, Bestpreisklauseln etc.).

6. Chinas Staatskapitalismus: Herausforderung für die europäische Marktwirtschaft (Kapitel 4)

Ein besonderer Fokus des Gutachtens liegt auf den Wettbewerbsnachteilen für europäische Unternehmen durch Drittstaatssubventionen, die sich im Binnenmarkt auswirken. Aktuell können Drittstaatssubventionen sukzessiven Marktmachtaufbau (zulasten von nicht-subventionierten EU-Unternehmen) begünstigen, einen Rückzug europäischer Unternehmen aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich fördern, die Umgehung von Antidumping- und Antisubventionszöllen durch Verlagerung der drittstaatssubventionierten Produktion und des entsprechenden Vertriebs in die EU oder die Abgabe künstlich niedriger Angebote bei öffentlichen Auftragsvergaben ermöglichen. Die Monopolkommission sieht den bisherigen Umgang mit (chinesischen) Drittstaatssubventionen nach dem bestehenden Außenwirtschafts- und Wettbewerbs- und Vergaberecht als lückenhaft an. Während das EU-Beihilfenrecht wettbewerbliche Chancengleichheit von Unternehmen im Binnenmarkt in Bezug auf mitgliedstaatliche Beihilfen schütze, bestehe kein Äquivalent in Bezug auf Drittstaatssubventionen.

Die Monopolkommission schlägt in diesem Zusammenhang - mit eigenem Gesetzesvorschlag - ein Drittlandsbeihilfeinstrument vor, mittels dessen drittstaatliche Subventionen und mitgliedstaatliche Beihilfen möglichst weitgehend gleichgestellt werden könnten (S. 332-368 im Hauptgutachten). Dieses Instrument soll - subsidiär gegenüber dem bestehenden EU-Außenwirtschafts- und EU-Wettbewerbsrecht - zu einer möglichst weitreichenden Gleichstellung von (im Binnenmarkt wirkender) Drittstaatssubventionen und mitgliedstaatlichen Beihilfen führen und in der Zuständigkeit der EU-Kommission liegen. Im Falle von erfassten Unternehmenserwerben sowie öffentlicher Auftragsvergabe soll zudem während der Prüfung eine Stillhalteverpflichtung (Vollzugsverbot) nach entsprechender Notifizierung gelten.

Bei der Fusionskontrolle soll im Fall des potenziellen Wettbewerbs durch Drittstaatsunternehmen, die Motivation des Markteintritts solcher Drittstaatsunternehmen aus politisch-strategischen Erwägungen stärkere Berücksichtigung finden, und es sollen die Horizontal-Leitlinien der EU-Kommission zur Bewertung von Unternehmenskooperationen entsprechend ergänzt werden.

 (Anm.: Die Europäische Kommission hat in ihrem „Weißbuch zur Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen bei Subventionen aus Drittstaaten" parallel dazu bereits ähnliche umfassendere Vorschläge unterbreitet, vgl. dazu FIW-Artikel vom 25.06.20).