15.02.2021

EU-Konferenz zur Wettbewerbspolitik und zum Green Deal

EU
Kommission
Konferenz
Green Deal
Nachhaltigkeit

Konferenznachlese mit Links zu den einzelnen Konferenzbeiträgen: https://ec.europa.eu/competition/information/green_deal/index_en.html

Programm: https://ec.europa.eu/competition/information/green_deal/conference_programme.pdf 

Am 4. Februar 2021 fand die von der GD Wettbewerb organisierte Konferenz zur Wettbewerbspolitik und zum Green Deal („Competition policy and the Green Deal“) statt, die von der geschäftsführenden Vizepräsidentin Margrethe Vestager ausgerichtet worden ist. Diese Konferenz brachte verschiedenen Perspektiven zu den Themen Green Deal und Nachhaltigkeit zusammen. 

Schon im letzten Jahr hatte die EU-Kommission eine Umfrage zum Thema „Wettbewerbspolitik als Unterstützung des Green Deal“ gestartet (vgl. dazu FIW-Bericht vom 2.11.20). Sinn und Zweck der Umfrage war es, Ideen und Vorschläge für eine bessere Unterstützung der Ziele des „Green Deal“ durch Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln einzuholen. In diesem Zusammenhang wurde bereits betont, dass das EU-Wettbewerbsrecht nicht das vordergründige Mittel zur Umsetzung des Green Deal sein könne, sondern allenfalls einen unterstützenden Beitrag leisten kann. Die Umfrage diente bereits der Vorbereitung der Konferenz zu dieser Thematik. 

Insbesondere das zweite bis vierte Panel befassten sich mit konkreteren Bezügen zum Wettbewerbsrecht. Im Rahmen des zweiten Panels („Innovation, green growth, competition rules“) sagte Kardi Simson, Kommissarin für Energie, dass das Vergaberecht grüne Investitionen leiten solle und durch fairen Wettbewerb flankiert werden. Die Förderung neuer Technologien wie Wasserstoff soll im Vergaberecht stärker berücksichtigt werden.

Im Rahmen des dritten Panels (What the current antitrust and merger rules deliver, and what they don’t …“ sprach sich Margarida Matos Rosa, Präsidentin des portugiesischen Kartellamts, für eine Beibehaltung der aktuellen Wettbewerbsregeln aus. Bei der Fusionskontrolle muss viel Wert auf einen funktionierenden Wettbewerb gelegt werden, um Innovation nicht zu gefährden. Auch Maarten Pieter Schinkel, Professor an der Universität Amsterdam, sprach sich gegen eine Änderung der Wettbewerbsregeln aus. Eine Lockerung der Wettbewerbsregeln für mehr Kooperationen zwischen den Unternehmen könnte den Zielen des Wettbewerbs zuwiderlaufen. Es widerspreche den Regeln der Wirtschaft, Innovation durch eine Lockerung der Wettbewerbsregeln zu fördern. Ein zu vermeidendes Resultat wäre ein niedriger Umweltstandard bei hohem Preis (Greenwashing). Die Wettbewerbsregeln sollten hingegen sogar verschärft werden und sog. „green killer aquisitions“ Einhalt geboten werden. Die Ziele des Green Deal seien leichter durch Regulierung, z. B. durch Steuern und Subventionen, zu erreichen als durch eine Lockerung des Wettbewerbsrechts für sog. grüne Kartelle. „Grüne Kartelle“ müssten auch ständig überwacht werden, was die zuständigen Behörden überfordern würde. Außerdem sei es Aufgabe des Gesetzgebers, die Standards festzulegen, und nicht Aufgabe der Unternehmen im Wege der Selbstregulierung. 

Dirk Middelschulte, Global General Council Competition Unilever, meinte hingegen, dass Unternehmen gemeinsame Initiativen gründen können müssten, um nachhaltigere Produkte entwickeln zu können. Für diese Initiativen fehle es derzeit an Rechtssicherheit. Es brauche klarere Regeln, unter welchen Umständen Unternehmen solche gemeinsamen Initiativen gründen können. Die Kommission sollte klarstellen, dass gemeinsame Branchenverpflichtungen nicht unter den Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV fallen, wenn die Verpflichtung ein nachhaltiges level playing field zwischen Wettbewerbern gewährleiste. Öffentliche Interessen sollten im Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV Berücksichtigung finden. Auch wäre eine Klarstellung der Kommission über ihre Auslegung des Art.101 AEUV im Lichte von Nachhaltigkeitszielen hilfreich. 

Vanessa Turner, BEUC, meinte, dass die aktuellen Wettbewerbsregeln den Zielen des Green Deal nicht entgegenstünden. Wettbewerbsrecht diene dem Verbraucherschutz. Allerdings könnten die Ziele des Green Deal besser durch Regulierung erreicht werden. Eine Selbstregulierung seitens der Unternehmen sei weniger geeignet und gefährde den Zweck des Wettbewerbsrechts, die Verbraucher zu schützen. Die Regeln des Wettbewerbsrechts seien zu ungenau hinsichtlich des Informationsaustauschs zwischen den Unternehmen. Unternehmen bräuchten ein Level Playing Field für kollektive Nachhaltigkeitsinitiativen. 

Im vierten Panel („What the current State aid rules deliver, and what they don’t …“) führte Natalia Fabra, Professorin an der Universidad Carlos III de Madrid, aus, dass staatliche Beihilfen eine entscheidende Rolle beim Übergang auf erneuerbare Energien spielten. Es sollten keine staatlichen Beihilfen mehr für Projekte breitgestellt werden, die dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zuwiderliefen oder das Klima schädigten. Suzanne Kingston, Professor am University College Dublin, sagte, dass staatliche Beihilfen nicht gewährt werden dürften, wenn das Projekt den Klimazielen zuwiderliefe oder nicht im Einklang mit EU-Umweltrecht stünde. Dies solle anhand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung festgestellt werden. 

Luminita Odobescu, Botschafterin in der Ständigen Vertretung Rumäniens zur EU, hielt dagegen und meinte, dass das das Beihilfenrecht flexibel bleiben müsse. Es müsse so gestaltet werden, dass es Anreize zu klimafreundlichen Investitionen schafft, und es solle lediglich einen Bonus für grüne Projekte geben. 

Matthias Buck, Head of European Energy Policy, Agora Energiewende, wollte einen Balancing-Test einführen und staatliche Beihilfen in zwei Kategorien einteilen. Der Fokus solle auf staatlichen Beihilfen für Projekte liegen, welche sich direkt zur Erreichung des Klimaziels eignen (Kategorie 1). Bei allen anderen Projekten müsse der Beihilfenempfänger zur Erreichung von Klimazielen angehalten werden (Kategorie 2). 

Hintergrund: 

Der europäische „Green Deal“ zielt darauf ab, die EU zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu machen. Ziel ist es, dass Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent wird, auf dem Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist (https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de).