13.07.2023

11. GWB-Novelle: 2. und 3. Lesung im Bundestag

D
Bundestag
11. GWB-Novelle
Wettbewerbsdurchsetzung
Entflechtung
Sektoruntersuchung

Videostream und Informationen (abrufbar unter dem Reiter 2./3.Lesung): Deutscher Bundestag - Konträre Meinungen zu neuen Befugnissen für das Bundeskartellamt

Beschlussempfehlung: 2007625.pdf (bundestag.de)

Regierungsentwurf: Drucksache 20/6824 Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und anderer Gesetze (bundestag.de) 

Pressestimmen (pars pro toto): Kommentar zur Kartellrechtsnovelle: Wettbewerbspolitik auf abschüssiger Bahn (faz.net) 

Der Bundestag hat die 11. GWB-Novelle (Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und anderer Gesetze) (29/6824) am 6. Juli 2023 in 2. und 3. Lesung in der Fassung des Regierungsentwurfs mit Änderungen verabschiedet, wie sie in der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zum Ausdruck kommt. Die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke haben gegen die Stimmen von CDU/CSU und AfD für den Gesetzentwurf gestimmt. Die Initiative war bei der gesamten Wirtschaft von Anfang an durchgefallen und sehr kritisiert worden (vgl. hierzu FIW-Berichte vom 14.10.22, 30.01.23, 10.05.23, 31.05.23und 16.06.23). 

Kernstück des Entwurfs ist der neue § 32f GWB, der dem Bundeskartellamt die Anordnung von Maßnahmen nach einer Sektoruntersuchung ermöglicht – von Eingriffen in die Vertragsgestaltung über Datenzugangsverpflichtungen bis hin zur Entflechtung von Unternehmen, sofern das Kartellamt eine erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs auf zumindest einem mindestens bundesweiten Markt, mehreren einzelnen Märkten oder marktübergreifend festgestellt hat. Neu und beispiellos: Ein illegales Verhalten der Unternehmen wird nicht mehr vorausgesetzt. Die drastischen Maßnahmen erfolgen auch und gerade bei völlig rechtstreuem Handeln. Das Gesetz erhöht nach Ansicht der Wirtschaft die Rechtsunsicherheit für die Unternehmen. 

Darüber hinaus ist im Fall von Kartellrechtsverstößen die Abschöpfung der daraus entstandenen Vorteile für das Kartellamt durch Einfügung einer Vermutungsregelung deutlich erleichtert worden. Daneben hat das Gesetz die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass das Bundeskartellamt die Europäische Kommission bei der Durchsetzung des Digital Markets Act unterstützen kann. Zudem wurde die private Durchsetzung des Digital Markets Acts erleichtert. 

Die letzten Änderungen im Vergleich zum Regierungsentwurf belaufen sich im Wesentlichen auf Folgende: 

Von Wirtschaftsseite wurde und wird geltend gemacht, dass das Gesetz ein ausgesprochen negatives Signal für Investitionen und Innovation zum Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland setzt (vgl. insbesondere FIW-Berichte vom 30.01.23 und 16.06.23). Die 11. GWB-Novelle führe zu einem Paradigmenwechsel führt und bedeute eine erhebliche Verschärfung des Wettbewerbsrechts. Eingewandt wurde vielfach, dass es für die Unternehmen, Investoren und die Beschäftigten sehr gefährlich sei, ohne Anlass zweifelhafte und gravierende Eingriffsbefugnisse und Kompetenzen für das Bundeskartellamt als künftige Superregulierungsbehörde zu schaffen. Betont wurde auch, dass das Gesetz zu einer nationalen „Insellösung“ und damit zu einer Diskriminierung deutscher Unternehmen im europäischen und internationalen Wettbewerb führe. Es wurde zudem vorgebracht und mit wissenschaftlichen Gutachten untermauert, dass das Gesetz in mehrfacher Hinsicht mit EU-Recht kollidiere und verfassungsrechtliche Vorgaben verletze. 

Der Bundesrat wird voraussichtlich nach der Sommerpause am 29. September 2023 über die 11. GWB-Novelle abstimmen, und es ist zu erwarten, dass sie Anfang/Mitte Oktober 2023 in Kraft treten wird.