Salamon-Limberg, Dr. Helena

Prüfungsumfang und -dichte des Gerichtshofs der Europäischen Union in Fusionskontrollprozessen unter besonderer Berücksichtigung der Kontrolle ökonomischer Analysen

Band 260

XVII, 300 (72,- €)

ISBN: 978-3-452-28828-8

Seit Beginn der 2000er Jahre unterliegt die europäische Fusionskontrolle größeren Wandlungen. Unter dem Begriff More Economic Approach wurde die Fusionskontrolle in Europa zunehmend von ökonomischen Maßstäben geprägt, die das legislative System ergänzen und in einen größeren wirtschaftlichen Zusammenhang einbetten sollten. Der Wandel wurde nicht zuletzt durch Entscheidungen des Europäischen Gerichts erster Instanz (jetzt: Gericht) beschleunigt, das innerhalb kürzester Zeit drei Verbotsentscheidungen der Kommission in den Fällen Airtours/First Choice, Schneider/Legrand und Tetra Laval/Sidel aufgehoben hatte, unter anderem weil die ökonomische Beweisführung für unzureichend erachtet wurde. Bei der Methodik der Überprüfung sind die Gerichte in Europa frei und folgen keinen speziellen Vorgaben. Die Rechtmäßigkeitskontrolle fußt zu einem Großteil auf ökonomischen Konzepten, beispielsweise bei der Marktabgrenzung oder bei der Analyse von unilateralen Effekten. Zwar kommt der Kommission gerade bei komplexen wirtschaftlichen Fragestellungen ein Beurteilungsspielraum zu. Dessen Grenze ist jedoch unscharf, überschritten ist er jedenfalls bei offensichtlichen Beurteilungsfehlern. Den Unionsrichtern - überwiegend Juristen ohne wirtschaftliche Ausbildung - kommt dabei die schwierige Aufgabe zu, die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, deren Zuverlässigkeit, Kohärenz und Vollständigkeit zu prüfen.

Die Verfasserin der an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster entstandenen Dissertation nimmt sich umfassend der Frage nach Kontrollumfang und -dichte seitens der Gerichte in Hinblick auf Entscheidungen der Kommission an, welche sehr stark auf ökonomischen Analyseinstrumenten basieren. Nach einer ausführlichen Abhandlung über die institutionellen und verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen für die gerichtliche Anfechtung von Fusionskontrollentscheidungen werden die veränderte Fusionskontrollpraxis der Kommission aufgrund des more economic approach und die gerichtliche Prüfung ökonomischer Analysen geschildert. Schließlich lotet die Verfasserin insbesondere die Grenzen des Beurteilungsspielraums in Fusionskontrollprozessen näher aus. Sie erarbeitet ein eigenes Konzept zur Ausgestaltung des Beurteilungsspielraums und entwickelt Kriterien für die Konkretisierung von offensichtlichen Beurteilungsfehlern.

Das FIW freut sich, mit diesem Band ein komplexes Thema vorzulegen, das nicht nur juristisches Fachwissen, sondern auch ökonomische Sachkompetenz erfordert. Die innovativen Konzepte der Verfasserin könnten dazu beitragen, die Fusionskontrollpraxis künftig methodisch weiterzuentwickeln und fassbarer zu machen. Das FIW hofft, mit diesem Band in erster Linie eine wissenschaftliche Diskussion anzuregen und langfristig einen Beitrag für eine bessere Systematik und Vorhersehbarkeit von Gerichtsentscheidungen zu leisten.

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