24.4.2006
Monopolkommission: Sondergutachten zum Fusionsvorhaben Rhön-Klinikum
Deutschland
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Die Monopolkommission (MK) hat am 13. April 2006 ihr 45. Sondergutachten „Zusammenschlussvorhaben der Rhön-Klinikum AG mit dem Landkreis Rhön-Grabfeld“ veröffentlicht (53 Seiten).
Die Rhön-Klinikum AG (RK) betreibt als privates Unternehmen des Gesundheitssektors Krankenhäuser (30 Kliniken in 8 Bundesländern). An ihrem Konzernsitz in Bad Neustadt gehören ihr 6 Kliniken. Sie will dort im Landkreis Rhön-Grabfeld noch zusätzlich die Kreiskrankenhäuser in Bad Neustadt und Mellrichstadt übernehmen. Das Bundeskartellamt hat die Fusion mit Beschluss vom 10. März 2005 untersagt (WuW DEV 1087). Die Beteiligten haben dagegen Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt, über die noch nicht endgültig entschieden ist. Am 16. Januar 2006 hat der Landkreis eine Ministererlaubnis beantragt, die RK unterstützt.
Das Sondergutachten ist eine interessante und wichtige Lektüre, weil sich die MK zu verschiedenen Fragen des materiellen und des Verfahrensrechts äußert:
- Ist im Krankenhaussektor die Fusionskontrolle durch das Sozialgesetzbuch V ausgeschlossen?
Nach § 69 regelt das SGB die Beziehungen zwischen Krankenhäusern und den Leistungserbringern abschließend. Dies gilt auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind. Die MK schließt sich dem Bundeskartellamt an, das von Wettbewerb im Interesse der Wahlfreiheit der Patienten ausgeht, die dadurch in erster Linie geschützt werden. Die abgeleitete Betroffenheit des SGB hindert deshalb nicht, die Vorschriften über die Fusionskontrolle anzuwenden (88 ff). - Darf eine Ministererlaubnis vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG beantragt werden?
Zwar legt der Gesetzeswortlaut in § 42 GWB ein Nacheinander der beiden Rechtsbehelfe nahe, doch ist hier anders zu entscheiden. Zum einen muss es möglich sein, dass jeder der Beteiligten einen eigenen Rechtsbehelf wählt (einer die Beschwerde, der andere die Ministererlaubnis – was hier allerdings nicht vorliegt, aber grundsätzlich ein Nebeneinander zulässig machen würde), zum anderen hat der Landkreis wegen seiner Gemeinwohlverpflichtung zur Sicherung der Gesundheitsvorsorge ein großes Interesse, schnell Klarheit zu gewinnen, was eher über eine Ministererlaubnis erreicht werden kann (97 ff). - Können gesamtwirtschaftliche Vorteile und ein überragendes Interesse der Allgemeinheit an der Fusion (§ 42 GWB) bei einer Sache von nur regionaler Bedeutung überhaupt angenommen werden?
Bei der Abschaffung der Ministererlaubnis für Kartelle durch die 7. GWB-Novelle ist dies ausdrücklich verneint worden. Aber in der Fusionskontrolle muss die Betroffenheit eines größeren Personenkreises ausreichen. Anderenfalls könnte selbst bei einem Zusammenbruch der Gesundheitsvorsorge in einer Region keine Ministererlaubnis für eine Fusion erteilt werden (102 ff). - Wie wird die Marktabgrenzung bei Krankenhäusern vorgenommen?
Die MK schließt sich dem Bundeskartellamt an, wonach Wettbewerb um den Patienten stattfindet, wobei es angesichts der Preisregulierung in diesem Sektor um Qualitätswettbewerb geht. Deshalb ist der SSNIP-Test nicht anwendbar. Allerdings ist die Qualität ihrerseits auch schwer messbar.
Im vorliegenden Fall spielt die räumliche Marktabgrenzung die Hauptrolle. Dafür sind die Patientenströme entscheidend, wobei das OLG nicht akzeptiert hat, dass das Bundeskartellamt die Krankenhäuser als solche als im Wettbewerb stehend angesehen hat. Vielmehr hat es verlangt, dass nach Abteilungen und Versorgungsstufen differenziert werden muss. Die Ergebnisse dieser Erhebung liegen über der Schwelle der Marktbeherrschungsvermutungen (109 ff). - Wie sind die Gemeinwohlgründe zu würdigen?
RK wollte das Krankenhaus in Mellrichstadt (40 Arbeitsplätze) übernehmen, dessen Schließung der Kreis schon beschlossen hatte. Die MK lässt dies nicht gelten, sondern vertritt die Auffassung, die RK würde nach der Fusion dieses Krankenhaus ebenfalls nicht weiter betreiben (128 ff). Das Krankenhaus in Bad Neustadt könnte selbständig bleiben, so die MK, ohne die Versorgung zu gefährden (134 ff). Das Argument der RK, durch die Zusammenfassung mit den anderen RK-Kliniken und mit einem geplanten medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) würden Verbundvorteile entstehen, lässt die MK nicht gelten, sondern vermutet eher einen Ausbau der marktbeherrschenden Stellung durch Überweisung von Patienten an andere RK-Einrichtungen (140 ff).
Die Entlastung der öffentlichen Haushalte (der Kreis möchte die Krankenhäuser aus Etatgründen dringend abgeben) ist für die MK nicht entscheidend. Hier geht es um Wettbewerbspolitik. Anderenfalls müsste man mit diesem Argument jede Privatisierung von vornherein gutheißen (145 ff). Die Budgetprobleme im Gesundheitssektor kann nur der Gesetzgeber lösen.
Die Kostensenkungen durch den Zusammenschluss beurteilt die MK anhand der Effizienzkriterien in den horizontalen Leitlinien der Kommission. Danach fehlt es vor allem an dem Nachweis, dass die eingesparten Kosten den Patienten zugute kommen würden. Zuvor hatte die MK allerdings eingeräumt, dass durch die Fusion „Effizienzen von überdurchschnittlicher Höhe“ erzielt würden (164). Soweit RK heute höhere Qualität biete, würde sich dies ändern, wenn nach der Fusion der Wettbewerbsdruck nachließe (167).
Der Erhalt von Arbeitsplätzen in Mellrichstadt ist ebenfalls keine Rechtfertigung, denn nach Ansicht der MK würde RK dieses Krankenhaus einstellen. - Ist die Ministererlaubnis erforderlich?
Es hatte sich ein anderer Interessent für die beiden Krankenhäuser gemeldet. Sein erstes Angebot hatten das zuständige Ministerium und der Landkreis jedoch nicht akzeptiert. Die MK rügt, dass mit diesem Anbieter nicht weiter verhandelt worden sei. Daraus leitet sie die fehlende Erforderlichkeit der Ministererlaubnis ab (176 ff).