20.04.2006
Gerald F. Masoudi (DoJ): Gewerbliche Schutzrechte und Wettbewerb (Vortrag)
USA
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https://www.usdoj.gov/atr |
Mr. Masoudi, Deputy Assistant Attorney General im amerikanischen Justizministerium, hat am 11. April 2006 beim Digital Americas 2006 Meeting in Sao Paulo einen Vortrag über gewerbliche Schutzrechte und Wettbewerb gehalten („Intellectual Property and Competition: Four Principles for Encouraging Innovation“).
Für eine dynamische, die Innovation fördernde Wirtschaft sind vier Grundsätze wichtig: starke und durchsetzbare gewerbliche Schutzrechte, Freiheit der Lizenzvergabe, die Einsicht, dass gewerbliche Schutzrechte nicht notwendigerweise Marktmacht oder gar Marktbeherrschung vermitteln, sowie eine vernünftige Setzung wettbewerbsrechtlicher Prioritäten. Dies wird im Vortrag in dieser Reihenfolge abgehandelt:
- Starke gewerbliche Schutzrechte
Für die Unternehmen ist wichtig, dass sie von vornherein wissen, was ein bestimmtes Schutzrecht schützt (Patente, Marken, Urheberrechte) und dass die Schutzrechte, soweit eine Behörde tätig werden muss, schnell erteilt werden. Darüber hinaus kommt es entscheidend auf die Durchsetzbarkeit an, nicht zuletzt auf den einstweiligen Rechtsschutz (injunctions). In den USA werden einstweilige Verfügungen dadurch erleichtert, dass vermutet wird, die beanstandete Verletzungshandlung füge dem Schutzrechtsinhaber unersetzlichen Schaden zu (presumption of irreparable harm). Auch der Mehrfachschadenersatz ist ein Durchsetzungsinstrument (Anreiz für Klagen). - Freiheit der Lizenzvergabe (licensing freedom)
Die amerikanischen Antitrust Guidelines for the Licensing of Intellectual Property gehen, wie auch die EU-GFVO Technologietransfer, davon aus, dass die Lizenzvergabe grundsätzlich wettbewerbsfördernd ist. Dies war nicht immer so. Heute besagen aber die Guidelines (Sec. 2.2), dass auch dann, wenn ein Schutzrecht Marktmacht verleiht, damit noch keine Verpflichtung zur Lizenzierung an andere verbunden ist (so auch der Supreme Court 2004 in Verizon v. Trinko). In der EU ist die Situation aus amerikanischer Sicht nicht ganz so eindeutig, wenngleich das EuGH-Urteil IMS Health in die richtige Richtung zu weisen scheint.
In den USA darf ein legal erworbenes Monopol, auch ein durch Schutzrechte geschaffenes, ausgebeutet werden. Der Monopolist darf den Monopolpreis verlangen. Die Forderung Dritter nach Zwangslizenzen wehrt DoJ mit dem Argument ab, dass das einseitige Verhalten der Lizenzverweigerung zunächst einmal nicht wettbewerbsschädlich ist, sondern dass eine solche Wirkung nachgewiesen werden muss, bevor Gegenmaßnahmen erwogen werden können. Es kommt hinzu, dass die Zwangslizenzierung eine Überwachung erfordert, die eine Wettbewerbsbehörde in der Regel überfordert. - Schutzrechte begründen keine Vermutung von Marktmacht
Schutzrechte sind keine Monopole. Es gibt fast immer genügend Substitute. Sie verleihen keine Marktanteile in einem wettbewerbsrechtlich definierten relevanten Markt. Dies wurde jüngst vom Supreme Court in der Entscheidung vom 3.1.2006 im Fall Illinois Tool Works v. Independent Ink bestätigt (das Urteil ist zu finden unter https://www.supremecourtus/opinions dort unter „slip opinions“). Im Einzelfall kann ein Schutzrecht Macht verleihen, aber diese Fälle sind so selten, dass man darauf nicht einmal eine widerlegliche Vermutung stützen kann. - Richtige wettbewerbsrechtliche Prioritäten (sound competition law priorities)
Ausgangspunkt ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise (effects-based approach) und die Abkehr von formalen Beurteilungen von Verhaltensweisen. Dann gehört aber auch dazu, dass sich die Wettbewerbsbehörden auf das für den Schutz des Wettbewerbs Wichtige konzentrieren. Für die USA gibt es deshalb eine Art Hierarchie der Prioritäten für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts. An erster Stelle steht der Kampf gegen Kartelle, an zweiter die Fusionskontrolle. Erst an dritter Stelle rangieren die „nonmerger civil cases“, zu denen auch einseitiges Verhalten von Unternehmen, etwa die Verweigerung von Lizenzen, gehört.
Der Wettbewerb soll Effizienzen hervorbringen. Bei statischen Effizienzen geht es um niedrigere Preise und größere Produktionsmengen. Hier muss das Wettbewerbsrecht Monopolisierungen und Kartellierungen verhindern. Das Wachstum einer Wirtschaft wird aber erst durch dynamische Effizienzen gefördert, also durch Innovation. Innovation bedeutet Risiko, besonders Investitionsrisiko, das so weit wie möglich verringert werden sollte. Hier erfüllen die gewerblichen Schutzrechte ihre wichtige Funktion, und eine gute Wettbewerbspolitik muss darauf Rücksicht nehmen.