16.08.2006

Deutscher Juristentag 2006 diskutiert Schadensersatz und Netzregulierung

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Es kommt selten vor, dass der Deutsche Juristentag gleich zwei Themen auf seiner Tagesordnung hat, die auch für Wettbewerbsrechtler interessant sind. Der 66. DJT vom 19. bis 23.9.2006 in Stuttgart wird sich mit Grundfragen des Schadensersatzrechts auseinandersetzen und erörtern, ob das Recht der Regulierungsverwaltung übergreifend geregelt werden soll.

Bekanntlich wird zu jedem Thema des Juristentages zunächst ein Gutachten angefertigt (die Gutachten sind den Mitgliedern bereits zugesandt worden). Auf dem Juristentag selbst wird dann die Aussprache durch mehrere Referate weiter vorbereitet. Den Mitgliedern sind jetzt die Thesen der Gutachten und der Referate in zusammengefasster Form übermittelt worden. Sie werden auch zeitnah zum Juristentag in einer Beilage zur NJW der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden.

Arbeitskreis Zivilrecht: Neue Perspektiven im Schadensersatzrecht – Kommerzialisierung, Strafschadensersatz, Kollektivschaden

Der Gutachter, Professor Gerhard Wagner (Bonn), sieht Kompensation und Prävention als Hauptziele des Schadensersatzrechts und wendet sich ausdrücklich gegen die Berücksichtigung von Strafzwecken. Zur Abschreckung von vorsätzlich-lukrativen Delikten sollte der Gewinn abgeschöpft werden. In Fallgruppen, wo Durchsetzungsdefizite bestehen, sollte in Spezialgesetzen eine Verdoppelung oder Vervielfachung des Ersatzbetrages im Präventionsinteresse angeordnet werden (Kartellrecht!). Streuschäden im Bagatellbereich sollten über eine Verbandsklage geltend gemacht werden (Vorbild § 10 UWG), aber nicht in Form der Abschöpfung, sondern als Schadensersatzanspruch (ein erheblicher Teil des Ersatzes sollte dabei dem Verband verbleiben).

Referent RA Dr. Georg Maier-Reimer (Köln) sieht hingegen in einem Durchsetzungsdefizit für sich selbst noch keinen Missstand. Gruppenklagen nach US-Vorbild bergen Missbrauchspotential. Gewinnabschöpfung ist auf den tatsächlichen Gewinn unter Abzug anteiliger Gemeinkosten zu beschränken. Bei der Gewinnherausgabe sollte es keine gesamtschuldnerische Haftung geben.

Referentin Dr. Gerda Müller, Vizepräsidentin des BGH (Karlsruhe), hält einen Anspruch auf Strafschadensersatz für entbehrlich. Ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung bedürfte gesetzlicher Regelung.

Referent Professor Jochen Taupitz (Mannheim) befürwortet ebenfalls die Gewinnabschöpfung, wobei eine Reform bei §§ 687, 681, 667 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) ansetzen müsste.

Abteilung Öffentliches Recht: Soll das Recht der Regulierungsverwaltung übergreifend geregelt werden?

Gutachter und Referenten bejahen diese Frage, unterscheiden sich allerdings in den Einzelheiten.

Gutachter Professor Johannes Masing (Augsburg) plädiert für ein sektorübergreifendes Regulierungskonzept, das gemeinsame Regelungen für Organisation, Handlungsgrundlagen und Rechtsschutz entwickelt. Instrument wäre ein Netzregulierungsgesetz des Bundes („Allgemeiner Teil des Regulierungsrechts“). Es müsste auch die Abgrenzung zur Wettbewerbsaufsicht (Bundeskartellamt) enthalten. Der Gutachter entwickelt dann sehr eingehend seine Vorstellungen über den Inhalt eines solchen Gesetzes.

Referentin Dr. Iris Henseler-Unger, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur (Bonn), votiert ebenfalls für ein Netzregulierungsgesetz, allerdings müssten zuvor aus den einzelnen regulierten Sektoren noch mehr Erfahrungen vorliegen. Ihr Ansatz ist deshalb etwas vorsichtiger. Sie unterstreicht, dass sich die Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt bewährt hat und fortgesetzt werden sollte.

Referent RA Dr. Thomas Mayen (Bonn) ist ebenfalls für ein Infrastrukturregulierungsgesetz, das allerdings nur regeln sollte, was nicht schon vom Verwaltungsverfahrensgesetz erfasst ist. Er spricht sich dafür aus, dass eine ergänzende Kontrolle durch die Wettbewerbsbehörden entfällt, soweit die Regulierungsbehörde von Maßnahmen gegen ein Unternehmen abgesehen hat. Im übrigen wäre die Regulierungsbehörde ebenfalls Wettbewerbsbehörde im Sinne von Art. 35 VO 1/03.

Referent Professor Ingolf Pernice (Berlin) erinnert an die europarechtlichen Vorgaben der Regulierung, die bedacht werden müssten, wenn man ein deutsches Netzregulierungsgesetz schafft. In der EU gibt es jedoch keine Bestrebungen, die Regelungen der verschiedenen Sektoren zu konsolidieren. Ein deutsches Gesetz würde dadurch aber nicht ausgeschlossen sein.