07.05.2019

UK: Competition & Markets Authority („CMA“) veröffentlicht Arbeitspapier „Pricing Algorithm“

Vor dem Hintergrund der steigenden Bedeutung von Big Data und Digitalisierung hat die britische Wettbewerbsbehörde Competition & Markets Authority ("CMA") bereits am 8. Oktober 2018 ein interessantes Arbeitspapier mit dem Titel „Pricing Algorithm" veröffentlicht. Die CMA beleuchtet darin die Verwendung von Algorithmen durch Unternehmen, die als Anbieter auf Online-Märkten tätig sind, und untersucht, ob und unter welchen Bedingungen Algorithmen wettbewerbsrechtlich problematische Kollusionen hervorrufen können. Ziel des Arbeitspapiers ist es, erste Erkenntnisse zusammenzutragen und Merkmale von Märkten und Algorithmen zu identifizieren, die potenziell wettbewerbsgefährdend sind. Zu diesem Zweck hat die CMA einschlägige Literatur und Studien ausgewertet. Fragen der Rechtmäßigkeit einer Verwendung von Algorithmen - etwa ob ein Preisalgorithmus, der zu einer stillschweigenden Preiskoordinierung zwischen Wettbewerbern führt, gegen das Kartellrecht verstößt - bleiben in dem Arbeitspapier ausdrücklich unberücksichtigt.

Wesentlicher Inhalt des Arbeitspapiers der CMA:

Im Arbeitspapier definiert die CMA zunächst einen Algorithmus als „jedes Berechnungsverfahren, das einen Wert oder eine Menge von Werten als Eingabe annimmt und einen Wert oder eine Menge von Werten als Ausgabe erzeugt". Ein Algorithmus zur Preisfindung verwendet demnach einen Preis als Eingabe, um im Zuge eines Berechnungsverfahrens einen anderen Preis als Ausgabe zu ermitteln. Preisalgorithmen eigneten sich für Unternehmen, um die Preise der Wettbewerber nahezu sofort zu beobachten, Abweichungen von den regulären Preisen zu erkennen und als Reaktion darauf den eigenen Preis zu bestimmen.

Im Rahmen ihrer Untersuchung stellte die CMA fest, dass viele Anbieter Algorithmen zur Preisfindung und -gestaltung, insbesondere auf Online-Plattformen wie Amazon, schon aktuell nutzen. Die CMA konstatiert ferner, dass einige Drittunternehmen komplexere Algorithmen an die Anbieter verkaufen oder im Auftrag ihrer Kunden die Preisgestaltung mithilfe von Computermodellen übernehmen. Mit zunehmender Datenverfügbarkeit und ausgefeilterer Technik könnten Algorithmen in Zukunft sogar ermöglichen, verschiedenen Verbrauchern unterschiedliche, sog. personalisierte Preise anzubieten. 

Obwohl die CMA anerkennt, dass Algorithmen zu niedrigeren Transaktionskosten für Unternehmen und einem verbesserten Informationsfluss führen und damit für Verbraucher vorteilhaft sein könnten, stehen die wettbewerblichen Bedenken im Fokus der Analyse. Die CMA rekurriert auf wettbewerbspolitische Studien, die von Algorithmen ausgehende Kollusionsergebnisse und somit höhere Preise für die Verbraucher prognostizieren.

Das Arbeitspapier unterscheidet zwei mögliche Gefahren des Einsatzes von Algorithmen:

-    Einerseits könnten Algorithmen explizite kollusive Absprachen und bestehende Kartelle stabilisieren. Beispielsweise erleichterten sie es den Unternehmen, Preisabweichungen zu erkennen und darauf zu reagieren. Ferner verringerten sie die Wahrscheinlichkeit von Fehlern oder zufälligen Abweichungen von der Absprache. Algorithmen könnten außerdem zur Stabilität eines bereits bestehenden Kartells beitragen, indem sie die Marktzutrittsschranken erhöhten. Beispielsweise sei es denkbar, dass sie Kunden, die am ehesten von einem neuen Marktteilnehmer kaufen, identifizierten und adressierten. Die CMA betont indes, dass sich gegenüber Absprachen und Kartellen, bei denen keine Algorithmen zum Einsatz kämen, keine wesentlichen Änderungen ergäben.

-   Andererseits könnten Preisalgorithmen zu „stillschweigenden Kollusionen" zwischen Unternehmen führen. In dem Zusammenhang benennt die CMA drei für eine stillschweigende Kollusion verantwortliche Faktoren:

-   „Hub-and-spoke": Algorithmen könnten zu einem stillschweigenden Kollusionsergebnis führen, wenn Anbieter auf demselben Markt den gleichen Algorithmus oder Datenpool zur Preisermittlung verwendeten. Das komme insbesondere vor, wenn ein Dritter einen Algorithmus für mehrere Anbieter bereitstelle und in dem Zuge Zugang zu deren Daten erhalte. Problematisch sei es, wenn der Dritte („Hub") infolgedessen die Möglichkeit und den Anreiz habe, die Preise zum Zweck der Gewinnmaximierung über das Wettbewerbsniveau hinaus zu erhöhen.

-   „Predictable Agent":  Eine stillschweigende Kollusion werde befürchtet, wenn Unternehmen einseitig Preisfindungsalgorithmen programmierten, die auf externe Ereignisse vorhersehbar reagierten.

-   „Autonomous machine": Schließlich sei zu befürchten, dass Algorithmen komplexer würden, selbstständig lernten und so ein kollusives Ergebnis erzielten, ohne dass ihre Nutzer in den Abstimmungsprozess involviert seien.

Die „Hub-and-spoke"-Risiken seien nach Ansicht der CMA am wahrscheinlichsten, da sie sich bereits realisierten, wenn Wettbewerber das gleiche algorithmische Preismodell anwenden.

Die CMA weiterhin untersucht, welche Merkmale einerseits von Märkten und andererseits von Algorithmen eine stillschweigende Kollusion mehr oder weniger wahrscheinlich machten. Hinsichtlich der Merkmale der Märkte führt sie zunächst aus, dass eine algorithmische Preisgestaltung die Kollusion vor allem in solchen Märkten erleichtere, die bereits anfällig für Absprachen seien. Dies sei insbesondere bei homogenen Angeboten und in Online-Märkten der Fall, in denen Preisüberwachungen und Reaktionen schnell erfolgen könnten. Traditionelle Risikofaktoren wie Transparenz, ein vorhersehbares Preisverhalten und schnelle Preisanpassungsmöglichkeiten würden durch den Einsatz von Algorithmen zudem verstärkt. Im Hinblick auf die Merkmale von Algorithmen stellt die CMA fest, dass eine stillschweigende Koordination umso wahrscheinlicher sei, je eher der jeweilige Algorithmus kurzfristige Gewinne zugunsten längerfristiger, profitablerer Ergebnisse opfere. Deshalb könne die Wettbewerbsbehörde anhand der Zielfunktion des Algorithmus überprüfen, ob er zu einer stillschweigenden Kollusion führen könne. Außerdem hänge die Wahrscheinlichkeit einer Kollusion davon ab, welche Daten der Algorithmus verwende. Aus dem Einsatz von Informationen oder Daten mehrerer Wettbewerber folge ein besonderes Risiko für den betreffenden Markt.

Allerdings sieht das Arbeitspapier weder konkrete Maßnahmen noch die Durchführung spezifischer Marktstudien oder Sektorenuntersuchungen vor. Stattdessen regt die CMA an, Untersuchungen zu Preisalgorithmen in der Hauptsache der Wirtschaftsforschung zu überlassen. Als mögliche Forschungsthemen schlägt sie u. a. „Audit-Algorithmen" sowie „Shopbots" und weitere Instrumente vor, die als Gegengewicht zu den Marktrisiken Verbrauchermacht generieren könnten.