12.11.2018

Neue Papiere der CMA und der britischen Regierung zum Brexit („Preparedness Notices“)

UK
Brexit
Wettbewerbsrecht
Beihilfenrecht

Am 30. Oktober 2018 hat die britische Wettbewerbsbehörde, die Competition & Market Authority (CMA) neue Papiere für die verschiedenen Brexit-Folgen (deal, no deal-Szenarien) und ihre eigene Rolle im weiteren Verlauf in Bezug auf das Wettbewerbsrecht (Fusionkontrolle, Kartellverfahren) veröffentlicht. Die Papiere sollen vor allem die Unternehmen bei ihrer Zukunftsplanung für ein No-Deal-Szenario unterstützen, indem die CMA Informationen darüber veröffentlicht, wie künftig bei Fusionen und Kartellverfahren vorgegangen wird, an denen derzeit noch die Europäische Kommission beteiligt ist (vgl. zum Beihilfenrecht und zum vorigen Stand auch FIW-Bericht vom 14.09.18).

Einen Tag zuvor (29.10.18) hat die britische Regierung einen Gesetzesentwurf zur Änderung der bestehenden Wettbewerbsregeln im Vereinigten Königreich (VK), insbesondere des UK Competition Acts und des Enterprise Acts für den Fall eines harten Brexits veröffentlicht („The Competition (Amendment etc.) (EU Exit) Regulations 2019"). Die Gesetzesänderungen bereiten den Weg zu einem autonomen britischen Wettbewerbsregime im Falle eines „no deal" Szenarios.

Beihilfenrecht (Stand: Guidance-Papier v. 23.08.2018)

https://www.gov.uk/government/publications/state-aid-if-theres-no-brexit-deal/state-aid-if-theres-no-brexit-deal

Die EU-Beihilfevorschriften für den Fall eines Austritts ohne Austrittsabkommen sollen durch den britischen EU Withdrawal Act 2018 in britisches Recht überführt werden. Britisches Recht würde dabei die im EU-Recht geltenden Gruppenfreistellungsverordnungen „widerspiegeln". Für die Empfänger von Beihilfen und die vergebenden Stellen soll hinsichtlich der geltenden Regeln ein „business as usual" sichergestellt werden. Bestehende Beihilfegenehmigungen und Freistellungen bleiben gültig. Vorgesehen ist, dass die CMA die Rechtsdurchsetzung und Aufsicht im gesamten VK übernehmen soll. Bei der Kommission angemeldete Beihilfen, zu denen am 29. März 2019 noch keine Entscheidung erfolgt ist, müssen erneut bei der CMA angemeldet werden. Die CMA rechnet mit 20-30 beihilferechtlichen Prüfungen pro Jahr. Anfang 2019 will die CMA ein ausführliches Guidance Paper zu ihren neuen Befugnissen im Beihilferecht veröffentlichen.

Noch offen ist, wie VK mit künftigen Änderungen und Anpassungen im europäischen Beihilferecht umgehen wird. Die CMA deutet an, dass ein künftiges Abkommen zwischen der EU und UK beinhalten könnte, dass das britische Beihilferecht künftige Änderungen des europäischen Beihilferechts spiegelt („dynamic alignment").

Wettbewerbsrecht/Fusionskontrolle (Stand: Guidance Paper vom 30.10.2018, sowie Gesetzesentwurf vom 29.10.2018)

https://www.gov.uk/government/collections/cmas-role-after-brexit?utm_source=e1f7436b-549b-4f0e-8564-a8ca7bb36598&utm_medium=email&utm_campaign=govuk-notifications&utm_content=immediate

http://www.legislation.gov.uk/ukdsi/2019/9780111173930/introduction

In Fusionsfällen, die durch die Europäische Union geprüft werden und in denen die Prüfung am 29. März 2019 noch nicht abgeschlossen ist, kann die CMA parallel ein Prüfverfahren nach den Vorschriften des Enterprise Acts 2002 beginnen. Unternehmen sollten sich in diesem Fall frühzeitig an die CMA wenden, insbesondere, wenn die Fusion zu potentiellen Wettbewerbsverzerrungen in UK führen könnte.

In Kartelluntersuchungen wird die CMA nach dem Brexit nicht mehr die Befugnis haben, europäisches Recht nach Art. 101 und 102 AEUV anzuwenden. Sie kann aber weiterhin die insofern äquivalenten Vorschriften des UK Competition Acts durchsetzen. Bislang ist vorgesehen, dass VK sein nationales Recht so auslegen muss, dass eine Konsistenz mit der europäischen Rechtsprechung und den durch den EuGH aufgestellten Rechtsprinzipien gewährleistet ist. Dies würde nach dem Brexit entfallen, auch in Untersuchungen, die bereits vor dem 29. März 2019 begonnen wurden, aber zum Zeitpunkt des Austrittes nicht abgeschlossen sind. Eine neue Vorschrift sieht vor, dass die britischen Behörden und Gerichte grundsätzlich auch weiterhin die Konsistenz mit der vor dem Brexit bestehenden EU-Gerichtspraxis wahren sollen. Unter besonderen Einzelfallumständen können sie jedoch auch davon abweichen.

Nach dem 29. März 2019 kann die CMA laufende Kartelluntersuchungen der Europäischen Kommission, in denen noch keine Entscheidung getroffen wurde, nach britischem Wettbewerbsrecht überprüfen, auch wenn diese Untersuchungen Verstöße betreffen, die vor dem Brexit erfolgt sind. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn die Europäische Kommission bereits eine bestandskräftige Entscheidung erlassen hat.

Sieben bestehende EU-Gruppenfreistellungsverordnungen werden weiterhin Bestandteil des britischen Rechts bleiben, zunächst bis zu ihrem Auslaufen (zwischen 2020 und 2026). Dies betrifft die Gruppenfreistellungsverordnungen für Linienschifffahrtskonferenzen, Verkehr, vertikale Vereinbarungen, Kraftfahrzeughandel, Forschung und Entwicklung, Spezialisierungsvereinbarungen und Technologietransfer. Verhaltensweisen, die unter diese Freistellungsverordnungen fallen, sind damit auch weiterhin von VK-Kartellrechtsuntersuchungen ausgenommen. Die britische Regierung wird nach Konsultation der CMA über den Fortgang der Gruppenfreistellungsverordnungen nach ihrem Auslaufen entscheiden.