06.07.2018

Kurzbericht zum 46. FIW-Seminar am 11. und 12. Juni 2018 in Bonn

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FIW
FIW-Seminar

Am 11. und 12. Juni 2018 fand zum 46. Mal das FIW-Seminar „Aktuelle Schwerpunkte des Kartellrechts" in Bonn statt. Die Veranstaltung begann mit einem Eröffnungsempfang und Abendessen. Prof. Dr. Daniel Zimmer, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, hielt eine Dinner Speech.  

Professor Dr. Carsten Becker, Vorsitzender der Beschlussabteilung Verbraucherschutz im Bundeskartellamt referierte am 12. Juni 2018 zum Thema Bundeskartellamt und Verbraucherschutz. Die neuen Befugnisse des Bundeskartellamts im Verbraucherschutz (Sektoruntersuchungen und die Beteiligung an Zivilsachen als amicus curiae), die allerdings nur beratende und analysierende Instrumente seien, bezeichnete Becker als „ersten Schritt". Zugleich wies er darauf hin, dass sich die private und verbandsseitige Rechtsdurchsetzung bewährt habe, der Verbraucher aber von einem komplementären Ansatz des Kartellamts im digitalen Verbraucheralltag durchaus profitieren würde. Becker betonte, dass das Bundeskartellamt bereit stehe, um Lücken zu schließen, insbesondere bei etwaigen künftigen weiteren Durchsetzungsbefugnissen für das Amt, und dass Wettbewerbsschutz und Verbraucherschutz grundsätzlich eine korrelierende Schutzrichtung hätten. Becker gab einen Überblick über die laufenden Sektoruntersuchungen des Amtes und merkte an, dass das Amt schon aus Kapazitätsgründen derzeit nur einige wenige „Leuchtturmverfahren" führen könne.

Professor Dr. Thomas Ackermann, Ludwig-Maximilians-Universität, München, widmete sich dem Thema „Plattformverbote in Vertriebsverträgen" und ging zunächst kurz auf die Erkenntnisse aus der Sektoruntersuchung der Europäischen Kommission zum elektronischen Handel ein. Angesichts des jüngsten Urteils des EuGH in der Rechtssache Coty (vgl. dazu FIW-Bericht vom 07.12.2017) stellte Ackermann die Entwicklung der europäischen Rechtsprechung zu selektiven Vertriebssystemen und Plattformverboten beim Vertrieb von Luxusprodukten dar, angefangen von den sog. Metro-Kriterien über die Rechtsprechung des Gerichtshofs in Pierre Fabre, Copad und L' Oreal bis zu Coty und setzte sie in Bezug zueinander. Mit den Fragestellungen, ob sich die Coty-Rechtsprechung auch auf Plattformverbote jenseits von Luxusprodukten (und technisch hoch entwickelte Verbrauchsgütern) übertragen lasse und wie sich diese Rechtsprechung auf andere Internet-Vertriebsbindungen jenseits von Plattformverboten auswirke, schloss Ackermann seinen Vortrag.

Als nächstes berichtete Dr. Achim Wagner, Rechtsanwalt in Düsseldorf, über „Neuere Entwicklungen zum Vollzugsverbot" und in dem Zusammenhang nach einem Überblick über sämtliche Gerichtsverfahren in der Rechtssache „EDEKA/Kaiser's Tengelmann" und über den Beschluss des BGH vom 14.11.2017 - - KVR 57/16 - in der Rechtssache „EDEKA/Kaiser's Tengelmann", der sich mit der Reichweite und Durchsetzung des Vollzugsverbots auseinandersetzt. Bei drohendem Verstoß gegen das Vollzugsverbot könne demnach die Kartellbehörde bis zu ihrer abschließenden Entscheidung über das Zusammenschlussvorhabens eine einstweilige Anordnung treffen, mit der Handlungen, die dem Vollzugsverbot zuwiderlaufen, untersagt werden könnten. Nach dem Beschluss des BGH könne das Bundeskartellamt nun zugleich „flankierende", „präzisierende" und „konkretisierende" Anordnungen zur Sicherung des Vollzugsverbots erlassen. Wagner unterzog die Praxis des Bundeskartellamts einer kritischen Würdigung und fragte nach den Auswirkungen des BGH-Beschlusses. Hieran schloss sich ein wiederum kritischer Kommentar aus Sicht des Bundeskartellamts von Dr. Felix Engelsing, Vorsitzendem der 2. Beschlussabteilung, an, der die Sichtweise des Bundeskartellamts stützte.

Im Anschluss informierte Professor Dr. Konrad Ost, Vizepräsident, Bundeskartellamt, in dem traditionellen Rückblick des Amtes eingehend über die „Aktuelle Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts". Er berichtete, dass, obwohl das Amt gerade erst erste Anwendungserfahrungen mit der im letzten Jahr in Kraft getretenen GWB sammele, u.a. mit den neuen Vorschriften in der Missbrauchskontrolle, die nächste GWB-Novelle laut Koalitionsvertrag schon wieder „vor der Tür stehe". Er schilderte kurz die vom Koalitionsvertrag angestoßenen Vorhaben für die Digitalwirtschaft und berichtete über die Fälle der letzten Zeit, die digitale Märkte und den Lebensmitteleinzelhandel betroffen hätten. Nach kurzem Rückblick auf einige Fälle aus der Fusionskontrolle kündigte Ost zudem einen Leitfaden zu der geänderten Aufgreifschwelle in der Fusionskontrolle an. Aus dem Bereich der Kartellverfolgung meldete Ost die mit der GWB-Novelle eingeführte Konzernhaftung zum Schließen der Wurstlücke als „Erfolg" und gab einen kurzen Ausblick zu den Vorhaben der Bundesregierung, ein Unternehmenssanktionsrecht einzuführen. Einblicke in abgeschlossene und abgegebene Kartellverfahren sowie in aktuelle institutionelle Entwicklungen, wie das beim Kartellamt einzurichtende Wettbewerbsregister und die Neueinrichtung einer Abteilung Verbraucherschutz, beschlossen den Überblick.

Dr. Fabian Pape, Leiter des Referats Deutsche und Europäische Fusionskontrolle, Bundeskartellamt, stellte „Die Leitlinien des Bundeskartellamtes zur Transaktionswertschwelle" vor, die noch im Juli veröffentlicht werden sollen. Sie seien als Handreichung für die Zusammenschlussparteien und ihre Berater, aber auch für die Bearbeiter im Bundeskartellamt gedacht. Bislang gebe es zu der neuen Aufgreifschwelle in der Fusionskontrolle wenig Praxis und keine Rechtsprechung. Bei aktuellen Umsätzen bleibe die zweite Inlandsumsatzschwelle relevant. Die neue Schwelle sei vor allem für solche Fallkonstellationen gedacht, bei denen die Umsätze nicht das wettbewerbliche Potential des Zielunternehmens widerspiegelten. Pape schilderte, wie der Wert der Gegenleistung künftig nach den Leitlinien ermittelt werden und welche Methoden der Wertermittlung angewandt werden sollten. In der Regel sei dafür kein eigenes Wertgutachten erforderlich. Dr. Alf-Henrik Bischke, Rechtsanwalt in Düsseldorf, kommentierte den Leitfaden aus anwaltlicher Sicht. Hinsichtlich der Berechnung des Gegenwerts stellte Bischke fest, dass der Leitfaden offen lasse, ob auf den Unternehmenswert oder den Equity-Wert abzustellen sei. Er sprach sich selbst für ersteres aus und widersprach Pape hinsichtlich der Dokumentation der Wertermittlung. Eine Verschriftlichung der Wertermittlung könne etwaige Zweifel der Behörde im Hinblick auf die Anmeldepflicht oder ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot entgegenwirken. Bischke stellte auch fest, dass die Vorstellungen des Bundeskartellamts zum Zusammenschlusstatbestand gegebenenfalls Abkehr von der National Geographic-Rechtsprechung bedeuteten, deren Konsequenzen derzeit noch unüberschaubar seien.

Professor Dr. Christian Kersting, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, beendete das Seminar mit einem Vortrag zu „Unternehmensgeldbuße: Regress beim Manager?". Dabei ging es um die Frage, ob ein Unternehmen (ThyssenKrupp), das mit einer Kartellbuße in Millionenhöhe belegt worden war, Regressforderungen gegen seinen an dem Kartellverstoß beteiligten Geschäftsführer geltend machen könne. Kersting wies darauf hin, dass diese Frage nach der Genese der bisherigen Rechtsprechung immer noch offen sei. So hatte das Bundesarbeitsgericht das Urteil der Vorinstanz lediglich aus prozessualen Gründen aufgehoben und das Verfahren zur Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Nach Ansicht von Kersting sei eine Organhaftung in der Sache unproblematisch anzunehmen, auch wenn rechtspolitisch eine Haftungsbegrenzung geboten sein möge. Im Übrigen könne das Institut der Vorteilsausgleichung zum Tragen kommen, damit der Kartellvorteil nicht beim Unternehmen verbleibe.