15.01.2019
EU: Berichtsentwurf zu EU-Kollektivklagen (New Deal for Consumers) vom EP-Rechtsausschuss angenommen
EU
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http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A8-2018-0447+0+DOC+PDF+V0//EN&language=EN |
Der Bericht des Berichterstatters im federführenden Rechtsausschuss (JURI) des Europäischen Parlaments, Geoffroy Didier (EVP) über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher (Teil des New Deal for Consumers) wurde am 6. Dezember 2018 angenommen (vgl. dazu auch FIW-Berichte vom 26.04.2018, 06.07.2018 und 13.11.2018). Änderungsanträge zum Berichtsentwurf konnten bis zum 6. November 2018 eingereicht werden. Das Europäische Parlament will die Beratungen zum Richtlinienentwurf nach Möglichkeit vor den Europawahlen im Mai 2019 abschließen. Allerdings stimmte der Ausschuss dafür, den Bericht zunächst nicht in erster Lesung im Plenum des Europäischen Parlaments abstimmen zu lassen, sondern stattdessen ein Mandat für frühe Trilogverhandlungen mit Rat und Kommission zu erteilen. Die Trilogverhandlungen können jedoch erst nach Festlegung einer gemeinsamen Position im Rat beginnen. Ob unter rumänischer Präsidentschaft der avisierte Zeitplan eingehalten werden kann, ist derzeit unklar.
Wesentlicher Inhalt:
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Qualifizierte Einrichtungen: Ausschließlich Verbraucherorganisationen oder unabhängige öffentliche Stellen sollen klagebefugt sein. An die qualifizierten Einrichtungen sollen zudem deutlich höhere Anforderungen gestellt werden. Ad-hoc Einrichtungen sind nicht zulässig. Die ursprünglichen Vorschläge von Didier zu Mindestbestandsdauer und -mitgliederzahl der Einrichtungen sind gestrichen worden.
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Die Möglichkeit der Drittfinanzierung einer Kollektivklage bleibt zulässig. Das Gericht oder die zuständige Behörde können aber missbräuchliche oder unbegründete Klagen in einem frühen Verfahrensstadium ablehnen. Die Richtlinie sieht weiterhin vor, dass die Mitgliedstaaten die finanzielle oder strukturelle Unterstützung Qualifizierter Einrichtungen zur Klageeinreichung vorsehen.
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Eine Kollektivklage nach der Richtlinie ist nur zulässig, wenn in derselben Sache im selben Mitgliedstaat und für dieselben Verbraucher nicht bereits eine andere Klage anhängig ist, um auf diese Weise Parallelverfahren im selben Mitgliedstaat zu verhindern (res iudicata).
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Der Berichterstatter konnte sich mit seinem Vorschlag eines Opt-in Prinzips nicht durchsetzen. Die Entscheidung über „Opt-in" oder „Opt-out" bleibt jetzt weiterhin den Mitgliedstaaten überlassenbleibt jetzt weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen. Eine Ausnahme soll nur im Falle von rein nationalen Fällen und Streuschäden gelten. Der Bericht enthält jedoch die wichtige Ergänzung, dass Qualifizierte Einrichtungen in Mitgliedstaaten, die intern für ihre eigenen Verbraucher ein „Opt-out"-System vorsehen, die zusätzliche Vertretung von Verbrauchern aus anderen Staaten nur mit expliziter Mandatierung vornehmen können.
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Schadensersatzsummen sollen nach Möglichkeit an die betroffenen Verbraucher ausgezahlt werden.
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Das von der Kommission vorgeschlagene Verfahren zu sogenannten „Streuschäden", nach dem der Schadensersatz bei kleinen Summen nicht an die Verbraucher ausgezahlt, sondern einem öffentlichen Verbraucherzweck zugutekommen sollte, wurde gestrichen. Allerdings sieht nun eine Vorschrift vor, dass nicht abgerufene Schadensersatzbeträge weder an die Qualifizierte Einrichtung noch zurück an das beklagte Unternehmen fließen dürfen. Es steht im Ermessen des Richters, über die Verwendung des Betrags zu entscheiden.
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Es soll nicht (mehr) ausreichen, in besonders komplexen Fällen statt einer Leistungsklage auch kollektive Feststellungsklagen zu erheben. Dies könnte Auswirkungen auf Deutschland mit seinem Modell der Musterfeststellungsklage haben, falls im Rat nichts anderes entschieden werden sollte.
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Bei Vergleichen führt das Parlament eine bindende Wirkung für alle Parteien ein.
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Informationen zu allen kommenden, laufenden oder abgeschlossenen Kollektivklagen sollen öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Mitgliedstaaten sollen außerdem öffentliche Register über Rechtsverstöße, gegen die eine Unterlassungsklage geführt wurde, einrichten.
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Das „Loser Pays" Prinzip und das Verbot von Strafschadensersatz sollen verpflichtend vorgeschrieben werden.
Die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Offenlegung von Beweismitteln wurden um Regeln zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit sowie zur Spezifizierung der vorzubringenden Beweismittel ergänzt. Sie sollen nicht nur durch den Kläger, sondern auch durch den Beklagten genutzt werden können.
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Erfolgshonorare sollen auf Mitgliedstaatenebene verboten werden.
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Kollektivklagen sind in den im Annex genannten Rechtsakten zulässig, die der Bericht um sechs Rechtsakte im Vergleich zum Kommissionvorschlag erweitert: Rechtsakte aus den Bereichen Produktsicherheit, Lebensmittelsicherheit, der Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen, der Angleichung der Rechtsvorschriften bei der Bereitstellung nichtselbsttätiger Waagen, dem Zugang zu Erdgasfernleitungsnetzen sowie zu gemeinsamen Vermarktungsnormen für Sardinenkonserven.
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Die Europäische Kommission erhält den Prüfauftrag, ob grenzüberschreitende Kollektivklagen nicht besser über einen Europäischen Ombudsmann geregelt werden sollten. Sie soll innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie einen entsprechenden Bericht vorlegen.