21.09.2017

UK: CMA legt Bericht über die Zukunft der Wettbewerbspolitik nach dem Brexit vor (Eingabe an das House of Lords)

Am 13. September 2017 hat die britische Wettbewerbsbehörde (CMA) dem House of Lords eine Eingabe zur Zukunft der Wettbewerbspolitik nach dem britischen Referendum zum Austritt aus der EU („Brexit“) überreicht und diese einen Tag später im Plenum vorgestellt (veröffentlicht am 15.09.).


Das House of Lords (EU Select Committee, Internal Market Sub-Committee) hatte am 21. Juli 2017 eine entsprechende Untersuchung zum Brexit und dessen Auswirkungen auf den Wettbewerb in Auftrag gegeben. Es sollten dabei insbesondere die Chancen und Herausforderungen bei der Umgestaltung der britischen Wettbewerbspolitik nach dem Brexit herausgearbeitet und ermittelt werden, ob die britischen Behörden über die Kapazitäten und Ressourcen verfügten, um weitere Zuständigkeiten anzunehmen und neue Aufgaben zu bewältigen. Auch sollte eruiert werden, wie eine künftige Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der EU bei Untersuchungen und Durchsetzungsmaßnahmen aussehen könnte. Eingaben kamen von der Competition and Markets Authority (CMA), der führenden britischen Wettbewerbs- und Verbraucherbehörde, sowie von den Behörden Ofcom, Ofgem und von der Civil Aviation Authority.

Wesentlicher Inhalt der Eingabe der CMA: 

1. Generelles

Die CMA ist der Auffassung, dass die Kernelemente der derzeitigen britischen Wettbewerbsregeln, d.h. die Anwendung des Competition Act 1998 und Enterprise Act 2002, fortgesetzt werden sollten, um auch nach dem Brexit eine effektive britische Kartellrechtsdurchsetzung und Fusionskontrolle zu ermöglichen. Es würden aber in jedem Fall einige Änderungen im rechtlichen Rahmen notwendig werden. Es gelte, Unsicherheiten bei der Anwendung des Wettbewerbsregimes sowie etwaiger Übergangsregelungen zu minimieren und unnötige zusätzliche regulatorische Belastungen zu vermeiden. Hierfür würden entsprechende internationale Vereinbarungen über die künftige Rolle des Vereinigten Königreichs in der globalen Wettbewerbsgemeinschaft essentiell sein. Es müsse weiterhin ein angemessener Informationsaustausch (auf neu auszuhandelnder rechtlicher Grundlage) gewährleistet werden. Auch zu diesem Zweck müssten Kooperationsvereinbarungen zwischen Großbritannien und anderen Ländern ausgehandelt werden. Britische Gerichte und Behörden müssten zudem in die Lage versetzt werden, EU-Kartellrecht bei der Anwendung des britischen Kartellrechts in angemessener Weise zu berücksichtigen. Die CMA müsse zudem über ausreichende Ressourcen verfügen, um ein höheres Aufgebot an Fusions- und Kartellrechtsfällen bewältigen zu können.  

2. Wettbewerbsrecht

Nach Ansicht der CMA erfordere der Brexit nicht unbedingt eine Änderung der britischen Wettbewerbspolitik. Die Beibehaltung des gegenwärtigen Ansatzes, d. h. einer effektiven und robusten Wettbewerbspolitik, würde den Unternehmen ein gewisses Maß an Stabilität und Vorhersehbarkeit bieten und sei auch darüber hinaus von Vorteil. Durchsetzungslücken im Zuge des Brexit sowie unnötige Rechtsunsicherheit und Rechtsstreitigkeiten gelte es zu vermeiden.

Es wäre zudem von großem praktischem Vorteil, bei der Anwendung des inländischen Rechts auch weiterhin möglichst konsistent den Europäischen Gerichten bei der Interpretation des EU-Rechts zu folgen, auf dem aktuell noch das inländische Recht beruht. Hierbei könne eine Verpflichtung helfen, wonach britische Gerichte und Wettbewerbsbehörden die Auslegung des EU-Rechts bei der Anwendung nationalen Rechts „berücksichtigen“ müssten. Dadurch könne das Risiko von Abweichungen der britischen Rechtsprechung vom EU-Recht minimiert und die Möglichkeit erhalten werden, auch künftig EU-Rechtsprechung in Form von Präzedenzfällen heranziehen zu können. Dies diene der Rechtssicherheit der Rechtsunterworfenen in beiden Jurisdiktionen und gleichzeitig der Akzeptanz britischer Rechtsprechung auf dem Kontinent. Andererseits könne die Möglichkeit, von bestehender oder künftiger EU-Rechtsprechung abzuweichen in einzelnen Fällen auch von Vorteil sein, in denen der Rechtsprechung der Europäischen Gerichte nicht gefolgt werden könne.

Im Hinblick auf eine Einschätzung, inwieweit der Brexit den Gerichtsstand des Vereinigten Königreichs bei der Wahl für kartellrechtliche Schadensersatzklagen beeinflussen werde, hielt sich die CAM bedeckt, da die Behörde nur für die öffentliche Rechtsdurchsetzung zuständig sei. Allerdings käme der privaten Rechtsverfolgung eine wichtige und ergänzende Rolle zu, wenn keine öffentliche Rechtsdurchsetzung stattfinde.

Die Möglichkeit, dass britische Behörden parallele Untersuchungen mit der Europäischen Kommission oder den nationalen Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten durchführten, bliebe auch nach dem Brexit bestehen. Allerdings seien dafür neue bilaterale oder multilaterale Regelungen erforderlich, um die bestehenden Ermittlungs- und Informationsaustauschbefugnisse aus der Verordnung1/2003 beizubehalten. Hierzu strebe die CMA eine enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und den europäischen Wettbewerbsbehörden an. Parallele Untersuchungen würden größere Fallzahlen für die britische Wettbewerbsbehörde mit sich bringen, da künftig auch Fälle untersucht werden würden, die vormals in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Kommission fielen. Dies würde künftig mehr Belastungen für Unternehmen bedeuten, sei aber erforderlich, um Durchsetzungslücken zu vermeiden. Ein Gleichklang der materiellen Regelungen würde weiter helfen, die zusätzlichen Belastungen für Unternehmen möglichst gering zu halten. Nach Ansicht der CMA liege die Post-Exit-Zusammenarbeit in starkem gegenseitigem Interesse, auch in Bezug auf die weitere Rechtsentwicklung in diesem Bereich. Es wären insbesondere folgende Bereiche in einer spezifischen Rechtsgrundlage, die die künftige Zusammenarbeit zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Kommission regelt, zu adressieren:

Die Zusammenarbeit mit außereuropäischen Wettbewerbsbehörden werde künftig ebenfalls zunehmen. Angesichts auch im außereuropäischen Bereich steigender Fallzahlen und erforderlicher paralleler Untersuchungen könne darin eine Chance liegen, den Einfluss des Vereinigten Königreichs auf die Entwicklung der globalen Wettbewerbspolitik zu vergrößern.

Die CMA geht davon aus, durch neue bilaterale oder multilaterale Vereinbarungen mit den Mitgliedstaaten die bisherigen Beziehungen zu den europäischen Wettbewerbsbehörden und der EU-Kommission aufrechtzuerhalten zu können. Dies sei eine Priorität nach dem Brexit. Auch Übergangsregelungen sollten sinnvollerweise vereinbart werden, um für Klarheit und Rechtssicherheit zu sorgen. Diese sollten folgende Themen adressieren:

Festlegung der Zuständigkeit für die britischen Aspekte kartellrechtlicher Untersuchungen auf der Grundlage von EU-Recht nach dem Austritt,

Festlegung für die Zuständigkeit der Durchsetzung britischer Verpflichtungen, die ein konstantes Monitoring erfordern,

Klärung der Berufungswege für diese Übergangsfälle und für Entscheidungen, die vor dem Brexit getroffen worden sind oder gerichtsanhängig sind.

3. Fusionskontrolle

Die CMA prognostiziert einen Zuwachs an Fusionsanmeldungen nach dem Brexit in der Größenordnung von 30 bis 50 zusätzlichen Anmeldungen in Phase I und etwa 6 Fällen, die in Phase II geprüft werden würden. Diese Zahlen beruhen auf einer Analyse der EU-Fälle der vergangenen Jahre. Allerdings sei die Zahl der tatsächlichen künftigen Fusionsanmeldungen ausschließlich von den wirtschaftlichen Aktivitäten im Land abhängig, die nicht prognostizierbar seien. Erhebliche materielle Änderungen seien nach Ansicht der CMA jedoch nicht notwendig. Auch sieht sich die CMA weiterhin als geeignet an, Fusionen in Alleinzuständigkeit zu prüfen. Dabei habe sie auch schon in der Vergangenheit eng mit sektoralen Regulierungsbehörden zusammengearbeitet. Allerdings seien zusätzliche Ressourcen notwendig, um die erhöhten Fallzahlen zu bewältigen.

Auf die Unternehmen kämen zusätzliche Anmelde- und Prüfpflichten zu (EU und UK). Da allerdings große Fusionen bereits jetzt in verschiedenen Jurisdiktionen angemeldet werden müssten, bedeute eine weitere Anmeldung im Vereinigten Königreiche keine übermäßige Belastung für Unternehmen, so die CMA. Bei Doppelanmeldungen in der EU und in UK seien die Vergleichbarkeit und Ähnlichkeit der materiellen Vorschriften (auch beim materiellen Testkriterium) von Vorteil, da sich aufgrund dessen der zusätzliche Prüfungsaufwand für Unternehmen von vorneherein in Grenzen halte. Sofern die Zusammenschlussparteien dem Austausch von Informationen seitens der Behörden zustimmten, ließe sich der Aufwand noch weiter verringern.

Divergenzen bei der Beurteilung eines Zusammenschlussvorhabens seitens der EU-Kommission und der CMA ließen sich (auch) künftig nicht vermeiden. Allerdings könnten der Dialog und eine konkrete Zusammenarbeit zwischen den Behörden die Kongruenz der Verfahren verbessern. Dies sei auch angesichts des freiwilligen Fusionskontrollanmeldungsregimes im Vereinigten Königreich von großer Bedeutung. Für die Zusammenschlussparteien werde es künftig eine wichtige Rolle spielen, Abhilfemaßnahmen vorzuschlagen, die in beiden Jurisdiktionen (EU, UK) gleichermaßen akzeptiert werden könnten.

Auch bei der Fusionskontrolle wäre eine Übergangsregelung für die Zeit nach dem Brexit mit ähnlichen Fragestellungen wie im Kartellrecht von Vorteil. Diese betreffe insbesondere folgende Themen: