29.01.2020
Referentenentwurf zur 10. GWB-Novelle veröffentlicht
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Referentenentwurf:
Kurzzusammenfassung:
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat am 24. Januar 2020 den lang erwarteten Referentenentwurf für die 10. GWB-Novelle, das sog. GWB-Digitalisierungsgesetz, veröffentlicht und die Verbändeanhörung eröffnet. Es weist darauf hin, dass dieser Referentenentwurf noch nicht ressortabgestimmt ist Das Gesetz sieht Änderungen der Missbrauchsaufsicht, die Umsetzung der ECN+-RL, mehr Rechtssicherheit bei Unternehmenskooperationen und weitere Anpassungen des Kartellrechts an die Digitalisierung vor. Zuvor kursierte eine inoffizielle Vorversion vom 07.10.19 (vgl. zum Thema auch FIW-Berichte vom 29.11.19, 05.11.19, 27.03.19, 06.07.18 und 21.09.18).
Wesentliche Zielsetzungen der Novelle:
Der Entwurf stützt sich in wesentlichen Teilen inhaltlich auf die Empfehlungen der im Auftrag des BMWi erfolgten Studie über die „Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen" (Prof. Haucap, Prof. Kerber, Prof. Schweitzer) vom 4. September 2018. In dem 156 Seiten langen Entwurf heißt es in einer kurzen Begründung zu den wesentlichen Zielsetzungen (S. 1f):
Mit dem vorliegenden Entwurf soll das grundsätzlich gut funktionierende System der Kartellrechtsaufsicht in Deutschland erhalten bleiben und an ausgewählten Stellen zielgerichtet gestärkt werden. Das GWB-Digitalisierungsgesetz dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1, die bis zum 4. Februar 2021 zu erfolgen hat. In Umsetzung der Richtlinie werden die Vorschriften des GWB insbesondere in folgenden Bereichen geändert: Ermittlungsbefugnisse der Kartellbehörden, Sanktionen für Kartellrechtsverstöße, Vorschriften zum gerichtlichen Bußgeldverfahren, Regelungen zum Kronzeugenprogramm für Kartellrechtsverstöße und Amtshilfe für andere Kartellbehörden.
Zugleich trägt der vorliegende Entwurf dazu bei, entsprechend den Vorgaben der Umsetzungsstrategie der Bundesregierung zur Gestaltung des digitalen Wandels, einen auf die Anforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft abgestimmten Ordnungsrahmen zu schaffen. Zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse der Kartellbehörden und der Wissenschaft ermöglichen eine weitere Modernisierung der Missbrauchsvorschriften. Die Novelle enthält daher eine maßvolle Modernisierung der Missbrauchsaufsicht, um den Missbrauch von Marktmacht insbesondere durch digitale Plattformen besser erfassen und effektiv beenden zu können. Zur Erhöhung der Rechtssicherheit für Unternehmen insbesondere bei Kooperationen wird das Instrument der Entscheidung gemäß § 32c, wonach kein Anlass der Kartellbehörde zum Tätigwerden besteht, überarbeitet und unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch der Unternehmen auf eine Entscheidung des Bundeskartellamts etabliert. Weiterhin zielt die Novelle auf eine Beschleunigung von Verwaltungsverfahren ab, damit Kartellbehörden Kartellrechtsverstöße schneller beenden und wirksamen Wettbewerb zügiger wiederherstellen können. Darüber hinaus werden die Vorschriften der formellen Fusionskontrolle überarbeitet, um diese effektiver zu gestalten und dem Bundeskartellamt eine Fokussierung auf die wettbewerblich relevantesten Zusammenschlüsse zu ermöglichen. Weiterhin soll die Vereinfachung der Vorschriften zum Verwaltungsverfahren Regelungslücken schließen und dem Rechtsanwender die Handhabung der Vorschriften erleichtern. Schließlich wird im Bereich des Kartellschadensersatzes nachgebessert, um die wirksame Durchsetzung der Ansprüche gegen kartellbeteiligte Unternehmen zu gewährleisten.
Wesentliche Neuerungen:
1. Missbrauchsaufsicht
- In § 18 Absatz 3b GWB-E wird das Konzept der sog. „Intermediationsmacht" etabliert.
- In § 19 Absatz 1 GWB-E wird die Formulierung „missbräuchliche Ausnutzung" in „Missbrauch" umgewandelt.
- Die sog. „essential facilities doctrine" wird in § 19 Absatz 2 Nummer 4 GWB-E neu gefasst, um die Entwicklung in der europäischen Anwendungspraxis und Rechtsprechung widerzuspiegeln.
- Es wird ein neuer § 19a GWB-E eingeführt, der dem Bundeskartellamt eine effektivere Kontrolle derjenigen großen Digitalkonzerne ermöglichen soll, denen eine „überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb" zukommt.
- In § 20 Absatz 1a GWB-E wird ein Anspruch auf Datenzugang in bestimmten Konstellationen geregelt, in denen dem Zugang zu Daten aus wettbewerblicher Sicht eine besondere Bedeutung zukommt.
- In § 20 Absatz 3a GWB-E wird ein neuer Eingriffstatbestand zur Verringerung der wettbewerblichen Probleme durch das sog. „Tipping" von Märkten eingeführt.
2. Beschleunigung von Verwaltungsverfahren
- Die Anordnung von einstweiligen Maßnahmen wird erleichtert.
- Die Durchführung der Akteneinsicht soll beschleunigt werden, und es soll die Möglichkeit der Durchführung von mündlichen Anhörungen erlaubt werden.
3. Verwaltungsverfahren, Befugnisse der Kartellbehörden:
- Das Instrument der Entscheidung gemäß § 32c GWB-E, wonach kein Anlass der Kartellbehörde zum Tätigwerden besteht, wird überarbeitet. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht ein Anspruch der Unternehmen auf eine Entscheidung des Bundeskartellamts innerhalb von 6 Monaten. Daneben gibt es die Möglichkeit, sog. „Vorsitzendenschreiben" an die Unternehmen zu versenden.
- Die ECN-Plus-Richtlinie wird zum Auskunftsverlangen der Kartellbehörden umgesetzt.
4. Kartellschadenersatz
- In einem neuen § 33a Absatz 5 GWB-E wird eine widerlegliche Vermutung bezüglich der Betroffenheit der unmittelbaren Lieferanten oder Abnehmer eines Kartells bei Rechtsgeschäften mit kartellbeteiligten Unternehmen eingeführt. Für mittelbare Abnehmer gilt dies entsprechend.
5. Fusionskontrolle
- Die zweite Inlandsumsatzschwelle wird von 5 Millionen EUR auf 10 Millionen EUR angehoben. Die Bagatellmarktklausel soll von 15 Mio. EUR auf 20 Mio. EUR angehoben werden. Die Vollzugsanzeige entfällt, dafür wird die Frist für die Prüfung von Zusammenschlüssen im Hauptprüfverfahren von vier auf fünf Monate verlängert und die Gesamtdauer aller Fristverlängerungen wird insgesamt auf einen Monat begrenzt.
- Das Bundeskartellamt kann Unternehmen zur Anmeldung künftiger Zusammenschlüsse (ab 250 Mio. EUR Umsatz des Zielunternehmens) auffordern, die ansonsten nicht anmeldepflichtig wären.
- Das Verfahren der Ministererlaubnis wird geändert. Die rechtliche Bewertung des Bundeskartellamtes muss zuvor gerichtlich bestätigt werden.
6. Bußgelder
- Der Gesetzesentwurf setzt die Vorschriften der ECN-Plus-Richtlinie zu Geldbußen gegen Unternehmensvereinigungen um, die eine Verschärfung im Vergleich zu den bisherigen deutschen Regelungen mit sich bringen.
- Neu ist die Aufnahme expliziter weiterer Zumessungskriterien bei der Bußgeldbemessung.
- Der Kriterienkatalog enthält auch die Berücksichtigung zumindest des Nachtatverhaltens des Unternehmens, worunter auch Compliance-Maßnahmen fallen.
7. Kronzeugenprogramm
- Die ECN-Plus-Richtlinie sieht eine gesetzliche Verankerung des Kronzeugenprogramms vor. Aus diesem Grund werden die bislang in der Bonusregelung des Bundeskartellamtes von 2006 festgeschriebenen Grundsätze zur Gewährung von Bußgeldermäßigungen für Kronzeugen in das GWB aufgenommen.