25.02.2016

Rede (Kommissar Oettinger) auf dem 49. FIW-Symposion (2016) in Innsbruck zur Digitalisierung

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FIW
49. Symposion
Rede Kommissar Günther Oettinger

Günther H. Oettinger, Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Europäische Kommission, sprach anlässlich des 49. Symposion des FIW in Innsbruck, das unter dem Leitthema „Wettbewerb 4.0. - Ordnungspolitik und Kartellrecht im Zeitalter der Digitalisierung stand, zum Thema „Digitalisierung und Ordnungspolitik: Wie sieht ein integrativer europäischer Ansatz für Datenschutz, Wettbewerb und geistiges Eigentum aus?"

Oettinger zeichnete zunächst das „Leben in der digitalen Revolution" anhand der Entwicklung des Smartphones nach. Manche seien Triebfeder dieser Revolution, andere negierten sie. Das Smartphone sei in den USA erfunden worden, in Europa habe hingegen in diesem Bereich keinerlei Wertschöpfung stattgefunden, wenn man vom Mindestlohn absehe. In Europa spielten zwar noch Nokia oder SAP eine gewisse Rolle, dies würde jedoch nichts an der u.s.-amerikanischen digitalen Überlegenheit ändern, die von China und Südkorea 1:1 kopiert werde. Dabei erreichten die digitalen Technologien und Dienste alle Sektoren der Wirtschaft und verwandelten diese. Oettinger überzeichnete: Keiner lese mehr Zeitung, alles ginge nur noch online vonstatten.

Der Netflix Chef habe prognostiziert, so Oettinger, dass es die Fernsehsender ARD und ZDF in 10 Jahren nicht mehr gebe. Die digitale Revolution wandere durch alle Sektoren der Wirtschaft. Die Strategie der USA sei es, Daten zu nutzen, während in Deutschland und Europa der Datenschutz im Vordergrund stehe. Die amerikanische Strategie ziele darauf, digitale Überlegenheit zu erlangen und dadurch auch in anderen Sektoren eine überlegene Stellung zu erhalten. Dies ziele direkt ins Herz der europäischen Industrie. Irgendwann in naher Zukunft werde Apple Autos bauen und sich nicht nur auf das Design beschränken. Schon jetzt liege der Bekanntheitsgrad von Apple bei 5,5 Mill. Menschen, während die Marke Mercedes nur 2,5 Mill. Menschen kennten.

Die Antwort Europas auf die transatlantische Strategie liege in einer europäischen Antwort mittels einer europäischen Digitalen Strategie. Der Binnenmarkt sei das „Glück" der Europäer, an den ca. 510 Mio. Menschen angebunden seien; er sei der größte Marktplatz der Welt mit einer funktionierenden Infrastruktur. Dies sei ein großer Vorteil für die exportgeprägte europäische Wirtschaft. Allerdings gebe es noch keinen europäischen digitalen Binnenmarkt. Es gebe, im Gegenteil, 28 fragmentierte digitale Teilmärkte. Dies müsse geändert werden. Es bedürfe einer Europäischen Digitalunion, um wieder zurückzukehren zur Wettbewerbsfähigkeit trotz und angesichts der digitalen Revolution.

Der erste Schritt auf dem Weg zur Digitalunion sei die Europäische Datenschutzverordnung. Angesichts der verschiedenen Datenschutzrechte in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union stelle die Verordnung, die direkt wirke und nicht umgesetzt werden müsse, einen großen Fortschritt dar. Mit der Safe Harbour - Rechtsprechung verpflichteten sich die Amerikaner, sich an unser Datenschutzverständnis und geltendes Recht zu halten. Trotz eines gewissen Rechtsrisikos werde das europäische Datenschutzverständnis damit in die USA exportiert, so Oettinger.

Oettinger warf weitere Fragen auf, etwa, ob ein digitales BGB oder Sachenrecht benötigt werde, auch ob ein deutsches oder europäisches bürgerliches Gesetzbuch vonnöten sei. Oder wem beim „Auto der Zukunft" die Daten gehörten: dem Halter, dem Hersteller, dem Zulieferer oder der Cloud. Dies könne im Vertragsrecht geregelt werden. Problematisch sei jedoch dabei, dass der Verbraucher die AGB (Vertragsrecht) oft nicht lese. Ein europäisches bürgerliches Gesetzbuch sei jedenfalls eine Revolution, das mit dem entgegengesetzten Trend der Re-Nationalisierung Schritt hielte.

Oettinger führte weiter aus, dass der Verbraucher heute mit seinen Daten bezahle. Google beantworte 5 Mill. Antworten täglich. Die Kommission prüfe seit 5 Jahren den Google-Fall. Oettinger verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass in diesem Jahr noch die abschließende Kommissionsentscheidung getroffen werden könne. Er sagte deutlich, dass Missbrauch nicht erlaubt sei. Die digitale Ökonomie bilde im Übrigen Monopole aus. Der als erster auf den Markt komme, habe einen Marktanteil von 100 Prozent. Allerdings werde es auch Suchmaschinen der übernächsten Generation geben, die die Monopole ablösen würden. Je höher der Marktanteil sei, desto akribischer müsse die Prüfung sein, ob Diskriminierung stattfinde.

Weiterer Grund für die Digitale Union sei das Leistungsschutzrecht. Seitens der Verleger werde versucht, geistiges Eigentum (Urheberrecht) zu verankern. Als geistiger Urheber sei die Durchsetzung des geistigen Eigentums in der digitalen Welt immer schwerer, beispielsweise durch die Möglichkeiten zum Download, Streaming, Text Mining und Data Mining und durch Kopie. Wissenschaftsverlage sehen sich hier in einer besonderen Gefahr. Aus diesem Grund sei ein europäisches Copyright, das die verschiedenen Interessen klug ausbalanciere, notwendig. EU-Wettbewerbsrecht und EU-Urheberrecht könnten dann beide diskriminierende Handlungen sanktionieren, und auf den Europäischen Markt müsse auf diese Weise nicht verzichtet werden.

Noch wichtiger als der Datenschutz sei Cybersecurity. Der Krieg von morgen zeige sich in der Zerstörung von wichtigen im öffentlichen Interesse stehenden Infrastrukturen (z. B. Energienetz in Kiev). Weitere Beispiele seien die Flugsicherung, die Wasserversorgung, die Verkehrssicherung oder die Arbeitssicherheit, mithin alles Infrastrukturen, die für öffentliche Sicherheit entscheidend seien. Derzeit werde in die digitale Sicherheit fahrlässiger Weise nicht genügend investiert. Mittels Industriespionage werde viel Geheimwissen gestohlen.

Darüber hinaus stellten die Daten eine neue Währung dar. Wie die Fusion von WhatsApp/Facebook gezeigt habe, sei die Aufgreifschwelle zu niedrig gewesen, um den Zusammenschluss zu prüfen. Dies sei paradox angesichts eines Kaufpreises von 19 Mrd. USD. Die Marktbedeutung dieses Zusammenschlusses sei erheblich gewesen. Der Übergang von der analogen Welt zur digitalen Welt bedürfe insgesamt einer europäischen Strategie, aber auch Anpassungen im Wettbewerbsrecht und anderen Regelungsbereichen, schloss Oettinger.