23.10.2017

EU: Neue Entwicklungen aus Brüssel zu Sammelklagen/kollektivem Rechtsschutz

Am 28. September 2017 hatte EU-Justizkommissarin Jourova anlässlich der Veröffentlichung einer Umfrage des amerikanischen „Institute for Legal Reform" zur Akzeptanz von Sammelklagen in Europa in Brüssel eine Rede gehalten.

Das amerikanische „Institute for Legal Reform" macht seit Jahren auf die Missbräuche von Sammelklagen aufmerksam und hat eine aktuelle Umfrage („Supporting Safeguards - EU Consumer Attitudes Towards Collective Actions and Litigation Funding") gegenüber europäischen Verbrauchern durchgeführt. Diese Umfrage zeigt, dass sehr viele Verbraucher in Deutschland und Europa mit Sorge auf die Auswüchse des amerikanischen Systems blicken. Viele befürchten, dass gerade nicht im besten Interesse der Verbraucher gehandelt würde, sollten amerikanische Verhältnisse Einzug in die europäischen Rechtssysteme halten. Eine Kommerzialisierung der Rechtssysteme, opportunistische  Klagen, der Anstieg von Kosten für Rechtsschutzversicherungen und Kanzleien, die auf Kosten der Verbraucher Klagen führen, die außerhalb deren Einflussmöglichkeiten liegen (z. B. die Nutzung von Verbraucherdaten), sind dabei die größten Befürchtungen. Verbraucher in Europa wünschen sich, dass ihre Rechte effektiv durchgesetzt werden, machen laut Umfrage aber sehr deutlich, dass sie die Entscheidung über die Wahrnehmung ihrer Rechte und die Kontrolle über deren Ausübung selbst behalten wollen.

Anlässlich der Vorstellung dieser Umfrage hat Justizkommissarin Jourova ausgeführt, dass die Kommission ein großes Interesse habe, Entschädigungen für Verbraucherschäden zu erleichtern, insbesondere wenn eine große Anzahl an Personen in ganz Europa betroffen sei. Jourova wird zunächst noch in diesem Jahr einen Bericht über die Empfehlung der EU-Kommission von 2013 zum kollektiven Rechtsschutz vorlegen (vgl. FIW-Bericht vom 13.06.2013) und dann im März 2018 einen „New Deal for Consumers" vorstellen, wie sie ankündigte. Bei letzterem handele es sich um ein Paket, das darauf abzielt, die Verbraucherrechte zu aktivieren, indem sie für die heutige - insbesondere digitale - Realität „fit gemacht" würden. Es werde aber auch auf eine wirksame öffentliche Durchsetzung durch die nationalen Verbraucherbehörden und durch die private Rechtsverfolgung zielen. Der Abgasbetrug (Volkswagen) habe große Defizite bei der Durchsetzung von Ansprüchen gezeigt. Jourova: „These are textbook mass harm situations."

Nach Vorstellung der Kommissarin sollen derzeit mehrere bestehende europäische Regelungen angepasst und ausgeweitet werden. Derzeit finden auf EU-Ebene die Evaluierung der Empfehlung der EU-Kommission von 2013 zum kollektiven Rechtsschutz statt sowie der Fitness-Check des EU-Verbraucherrechts. Bereits zuvor hatte sich Kommissarin - ebenfalls vor dem Hintergrund des Abgasbetrugs - für eine Stärkung von Verbraucheransprüchen und eine Erleichterung der gerichtlichen Durchsetzbarkeit ausgesprochen.

Der Europäische Verbraucherverband (Bureau Européen des Unions de Consommateurs, BEUC) hat am 10. Oktober 2017 zusammen mit 38 Abgeordneten des Europäischen Parlaments ebenfalls vor dem Hintergrund des Abgasskandals in einem Brief Kommissionspräsident Juncker aufgefordert, ein System des kollektiven Rechtsschutz in Europa einzuführen.