23.05.2022

EU-Kommission verabschiedet neue Vertikal-GVO und Vertikal-Leitlinien

EU
Kommission
Gruppenfreistellungsverordnungen
Vertikal-GVO
Vertikal-Leitlinien

 

Vertikal-GVO: L_2022134DE.01000401.xml (europa.eu)

Vertikal-Leitlinien (Englisch): 20220510_guidelines_vertical_restraints_art101_TFEU_.pdf (europa.eu)

Erläuternder Vermerk: https://ec.europa.eu/competition-policy/system/files/2022-05/explanatory_note_VBER_and_Guidelines_2022.pdf

Die EU-Kommission hat am 10. Mai 2022 die neue Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen („Vertikal-GVO") sowie die neuen Vertikal-Leitlinien („Vertikal-LL") angenommen und einen begleitenden Vermerk veröffentlicht. Die beiden überarbeiteten Regelwerke treten am 1. Juni 2022 in Kraft und gelten bis zum 31. Mai 2034. Für laufende Verträge gilt ein Übergangszeitraum bis zum 31. Mai 2023. Die Leitlinien liegen bislang nur in englischer Sprache vor.

Der Veröffentlichung war in den letzten Jahren ein umfangreicher Konsultationsprozess vorangegangen (vgl. FIW-Berichte vom 09.02.22, 05.08.21 und 06.01.21).

Wesentliche Änderungen:

Zweigleisiger Vertrieb

Die Freistellung für den zweigleisigen Vertrieb wird künftig auch Großhändler und Importeure umfassen, gilt aber nicht für vertikale Vereinbarungen in Bezug auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten, wenn der Anbieter der Online-Vermittlungsdienste ein Wettbewerber auf dem relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen ist.

Die Kommission schränkt die Freistellung für den zweigleisigen Vertrieb in Bezug auf den Informationsaustausch zwischen den Parteien ein. Künftig wird ein Informationsaustausch innerhalb eines dualen Vertriebssystems dann nicht unter die Freistellung der Vertikal-GVO fallen, wenn er „entweder nicht direkt die Umsetzung der vertikalen Vereinbarung betrifft oder nicht zur Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs der Vertragswaren oder -dienstleistungen erforderlich ist oder keine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt" (Art. 2, Abs. 5 Vertikal-GVO).

Ein Informationsaustausch zu spezifischen Kundendaten soll möglich sein, um den Anbieter oder Abnehmer in die Lage zu versetzen, die Anforderungen eines bestimmten Endkunden zu erfüllen, z. B. die Vertragswaren oder -dienstleistungen an die Anforderungen des Endkunden anzupassen, dem Endkunden Sonderkonditionen zu gewähren, auch im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms, oder Dienstleistungen vor oder nach dem Verkauf, einschließlich Garantieleistungen, zu erbringen, oder um eine selektive Vertriebsvereinbarung oder eine Alleinvertriebsvereinbarung, in deren Rahmen dem Anbieter oder Abnehmer bestimmte Endkunden zugewiesen wurden, durchzuführen oder ihre Einhaltung zu überwachen. Sofern der Informationsaustausch nicht freigestellt ist, muss er auf Grundlage einer Einzelfallprüfung nach Art. 101 AEUV beurteilt werden. Ein Verweis auf die Horizontalleitlinien und eine zusätzliche Marktanteilsschwelle für den Informationsaustausch wurden letztlich nicht aufgenommen.

Paritätsklauseln

Bislang waren alle Arten von Paritätsklauseln freigestellt. Die neue GVO hebt nun die Freistellung weite Paritätsklauseln der Online-Vermittlern auf. Diese Klauseln werden nun in die Liste der nicht freigestellten Beschränkungen aufgenommen (Art. 5 d Vertikal-GVO) und müssen künftig im Wege einer Einzelfallprüfung bewertet werden. Sonstige Arten von Paritätsverpflichtungen bleiben freigestellt.

Beschränkung von Vertriebssystemen 

Art. 4 der Vertikal-GVO wurde neu strukturiert und enthält nun einzelne Absätze zum Alleinvertrieb, zum Selektivvertrieb und zum freien Vertrieb. In die Vertikal-LL wurden ausführliche Angaben zu den verschiedenen Vertriebssystemen aufgenommen. Die neue GVO enthält außerdem Definitionen des aktiven und passiven Verkaufs.

In Art. 4 b) Vertikal-GVO wird die Möglichkeit der geteilten Exklusivität eingeführt, die es einem Anbieter erlaubt, bis zu fünf Vertriebshändler pro Alleinvertriebsgebiet oder Kundengruppe zu benennen. Darüber hinaus sieht Art. 4 c) der neuen GVO für selektive Vertriebssysteme vor, dass die Anbieter nun den Abnehmern und ihren Kunden verbieten können, an nicht zugelassene Händler zu verkaufen, die in einem Gebiet ansässig sind, in dem der Anbieter ein selektives Vertriebssystem betreibt.

Beschränkung des Online-Vertriebs 

Eines der Kernziele der Überarbeitung war es, die GVO und die Leitlinien mit Blick auf die Bewertung von zulässigen und unzulässigen Beschränkungen des Online-Vertriebs zu aktualisieren. Die neuen Vertikal-Leitlinien enthalten hierzu nun an verschiedenen Stellen Ausführungen und nehmen die EU-Rechtsprechung der letzten Jahre auf.

In der Vertikal-GVO wird die Verhinderung der wirksamen Nutzung des Internets zum Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen durch den Abnehmer oder seine Kunden als neue Kernbeschränkung aufgenommen (Artikel 4 e). Erläuterungen zu dieser Beschränkung finden sich in den Vertikal-LL. Die doppelte Preisgestaltung oder die Auferlegung unterschiedlicher Kriterien für Online- und Offline-Verkäufe durch die Anbieter wird künftig nicht mehr als Kernbeschränkung betrachtet. Anbieter können unter einigen Schutzvorkehrungen und Voraussetzungen nun unterschiedliche Großhandelspreise für Online- und Offline-Verkäufe desselben Händlers festsetzen.