04.09.2017

Bündnis 90/DIE GRÜNEN legen Gesetzentwurf der zur Einführung von Gruppenverfahren vor

DBündnis 90/DIE GRÜNEN
Sammelklagen/Gruppenklagen
Musterfeststellungsklagen

https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/134/1813426.pdf

Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN hat Ende August einen Gesetzentwurf für eine „Verbrauchersammelklage" eingebracht (Gesetzentwurf datiert vom 28.08.17).

Nach diesem Entwurf soll die Möglichkeit der Bündelung individueller Ansprüche durch die Einführung eines Gruppenverfahrens nach dem System des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) verallgemeinert und generell in die Zivilprozessordnung integriert werden. Damit soll in erster Linie der Zugang zum Recht - vor allem auch bei kleineren individuellen Massenschäden - erleichtert werden. Individualklagen würden nicht obsolet, das Gruppenverfahren soll aber nach Vorstellung der Fraktion durch Klärung gemeinsamer Fragen eine „überindividuelle Konfliktlösung erleichtern, die in einem Vergleich bestehen kann, oder auch darin, dass das Gericht diese gemeinsamen Fragen zu Gunsten der einen oder anderen Seite klärt". Das Gruppenverfahren soll das das KapMuG ablösen und dieses ersetzen.

Gleichzeitig sollen die Zugangsschranken zum Gruppenverfahren gegenüber dem KapMuG abgesenkt werden, um eine stärkere Rechtsdurchsetzungswirkung zu erreichen. Zudem soll nach der Gesetzesbegründung ein angemessener Rahmen geschaffen werden, in dem die Zivilgerichte bei massenhaften Schadensfällen zu einer angemessenen Konfliktlösung beitragen können.

Der Entwurf propagiert ein „Opt-in"-Verfahren (im Gegensatz zu einem „Opt-Out"-Verfahren), bei dem die Wirkungen einer Entscheidung nur diejenigen Personen treffen, die ausdrücklich ihre Teilnahme an dem Verfahren erklärt haben.

Als besonderer Auslöser für diese Gesetzesinitiative wird der Dieselabgasskandal genannt, bei dem „sich die Notwendigkeit besserer Möglichkeiten kollektiver Rechtsdurchsetzung deutlich gezeigt" habe. Bündnis 90/DIE GRÜNEN monieren, dass angesichts fehlender effektiver Rechtsinstrumente zur kollektiven Durchsetzung in der Zivilprozessordnung die Eigentümer von Dieselfahrzeugen Einzelklagen hätten einreichen müssen und Dienste von Rechtsdienstleiter hätten in Anspruch nehmen müssen, die im Wege der Forderungsabtretung Ansprüche sammelten und gegen eine hohe Erfolgsprovision einklagten. Das Verfahren eignete sich jedoch auch für andere zentrale Wirtschaftsgebiete, bei denen eine Vielzahl von Ansprüchen betroffen sein kann, wie beispielsweise bei der Versorgung mit Strom, Gas und Wasser, bei der Anmietung von Wohnraum, beim Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln, bei Versicherungen und der Altersversorgung durch Kapitalanlagen.

Dieser Entwurf dürfte als Gegenentwurf zu dem vom BMJV Ende Juli veröffentlichten Diskussionsentwurf zur Einführung einer Musterfeststellungsklage zu verstehen sein. Nach jenem Entwurf sollen nur Verbraucherverbände eine Musterfeststellungsklage anstreben dürfen, Verbände der Wirtschaft oder Industrie- und Handelskammern jedoch nicht. Verbraucher sollen zudem durch die Eintragung in ein Klageregister von einer solchen Musterklage profitieren können. Mit Anmeldung ihres Anspruchs im Klageregister könnten sie sich auf das Musterfeststellungsurteil berufen und ihren Anspruch individuell geltend machen, ohne nochmals ein Urteil hinsichtlich der Begründung ihres Anspruchs erwirken zu müssen.

Link zum Diskussionsentwurf der Musterfeststellungsklage:

https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/073117_DiskE_Musterfeststellungsklage.pdf;jsessionid=1F0F90DE658DA94E6A9A0963FCA257AC.1_cid297?__blob=publicationFile&v=1

Hintergrund:

Die stete Forderung nach kollektivem Rechtsschutz, insbesondere durch Verbraucherverbände, hat nicht nur Widerhall im Europäischen Parlament gefunden, sondern auch die EU-Kommission veranlasst, den aktuellen Stand in den Mitgliedstaaten durch eine Konsultation zu ermitteln. Daher sind die oben angesprochenen Initiativen auch im Zusammenhang mit der öffentlichen Konsultation der Europäischen Kommission zum kollektiven Rechtsschutz vom 22. Mai 2017 zu betrachten. Die Konsultation zielt darauf ab, die Anwendung und Umsetzung der Empfehlung der EU-Kommission vom 11. Juni 2013 zu evaluieren (vgl. dazu FIW-Bericht vom 13.06.2013). Diese beinhaltete gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten, sofern durch Unionsrecht garantierte Rechte verletzt wurden. Die durch die Konsultation erlangten Erkenntnisse werden in die Überlegungen der EU-Kommission einfließen, ob ein gesetzgeberisches Tätigwerden erforderlich ist. Mit der Konsultation soll zum einen überprüft werden, ob und welche Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene zur Einführung kollektiver Rechtsschutzelemente ergriffen wurden. Darüber hinaus sollen auch solche Situationen identifiziert werden, in denen Kollektivklagen nicht durchgeführt worden sind, obwohl diese angemessen gewesen wären.